50 Jahre Homo-Demos in Deutschland Festakt mit Zeitzeugen gedenkt der Anfangszeit der deutschen Gay-Bewegung
Heute vor genau einem halben Jahrhundert gingen erstmals in Deutschland homosexuelle Menschen auf die Straße, um für ihre Rechte und für Akzeptanz zu demonstrieren. Am 29. April 1972 protestierte eine kleine Gruppe mutiger queerer Menschen in Münster für Gleichberechtigung – die Stadt in Nordrhein-Westfalen mit aktuell rund 300.000 Einwohnern ging damit in die LGBTI*-Geschichte Deutschlands ein.
Die ersten deutschen Demonstrationen zum Christopher-Street-Day fanden erst sieben Jahre später im Juni 1979 in Berlin, Köln, Bremen und Stuttgart unter dem Motto „Gay Pride“ statt. Die homosexuellen Männer und Frauen aus Münster waren ihrer Zeit also ein gutes Stück voraus, bedenkt man, dass die Stonewall-Unruhen in New York, die Geburtsstunde all unserer heutigen CSD- und Pride-Veranstaltungen, erst drei Jahre zuvor (1969) geschehen waren. Während sich daraufhin die queere Community nach und nach vor allem in den USA formierte, konzentrierte sich die Bewegung in Europa vorerst auf Großbritannien.
In London gab es im November 1970 erstmals einen queeren Fackelzug mit rund 80 Teilnehmern. Zum ersten Gay Pride March kam es zwei Jahre später mit rund 2.000 Besuchern. Im Jahr der Stonewall-Aufstände in New York fiel auch in Deutschland 1969 mit der Änderung des berühmt-berüchtigten Paragrafen 175 das Totalverbot von homosexuellen Handlungen. Endgültig abgeschafft wurde das Verbot von gleichgeschlechtlichem Sex erst 1994 in der Bundesrepublik Deutschland
Das Jahr der allerersten homosexuellen Demonstration in Deutschland, 1972, ist in mehrfacher Hinsicht denkwürdig – im deutschen Fernsehen wurde im gleichen Jahr erstmals der, für damalige Zeiten äußert provokante Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von Rosa von Praunheim gezeigt. Der Film hatte international große Wirkung und richtete sich dabei inhaltlich als Mutmacher vor allem an deutsche Homosexuelle, damit diese sich nicht weiter verstecken, sondern sich organisieren und künftig lautstark für Gleichberechtigung kämpfen. Erstmals war dabei im deutschen Fernsehen auch zu sehen, wie sich zwei Männer küssen – die Szene sorgte für einen Medien-Skandal. Heute gilt der Film als Auslöser für die deutsche und schweizerische Lesben- und Schwulenbewegung.
Das 50-jährige Jubiläum der deutschlandweit ersten Homosexuellen-Demonstration nehmen nun die queeren Vereine und LGBTI*-Organisationen in der Stadt Münster zum Anlass, um im Rahmen eines Festaktes feierlich an diesen Tag zu erinnern. Wer Lust hat, kann auch via Live-Stream heute Abend mit dabei sein . In einem vielfältigen Rahmenprogramm werden auch Zeitzeugen zu Wort kommen, darunter die Politikerin und Publizistin Halina Bendkowski, der Sexualwissenschaftler Martin Dannecker und Aktivist Sigmar Fischer.
Für das Schwulenzentrum Münster ist die Veranstaltung ein Herzensprojekt: „Mit dem Jubiläumsempfang möchten wir das Engagement der Lesben, Schwulen, bi und trans-Menschen aus der Anfangszeit würdigen. Durch ihren Mut haben diese Menschen dazu beigetragen, dass es heute rechtliche Verbesserungen gibt, mehr Akzeptanz und eine facettenreiche queere Community.“
Nebst mehreren Lokal-Politikern wird auch Hendrik Wüst, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, unter den Rednern sein.