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Olly Alexander über sein neues Album "Night Call"

Years & Years „Ich habe mich beim kreativen Prozess des Albums freier gefühlt“

km - 21.01.2022 - 08:00 Uhr

Nachdem sich die Band Years & Years Anfang 2021 getrennt hat und Sänger Olly Alexander das Projekt unter dem gleichen Namen alleine fortführte, gibt es nun das erste Album in der neuen Konstellation. „Night Call“ heißt die energiegeladene Platte, die wie gewohnt zum Tanzen einlädt. Am 21. Januar 2022 erscheint das Album. SCHWULISSIMO sprach mit dem 31-jährigen Musiker und Schauspieler Olly Alexander über die LGBTI*-Community, seine Ängste bei der Produktion und was Fans vom neuen Album erwarten können.

 

Was war der letzte Song, den du gehört hast und was hast du dabei gefühlt?
Ich habe den Song „Destiny“ von Zero7 zuletzt gehört, welcher eine Inspiration für einer meiner neuen Songs war. Sie waren eine große Band Anfang der 2000er, aber es ist ein sehr nischiger Song. Allerdings hat meine Mutter das früher auch gehört und deshalb fühle ich mich in diese Zeit als Kind zurückversetzt – pure Nostalgie. All die Musik, die ich höre, basiert auf den Songs, die meine Mutter zuhause abgespielt hat.

Ich habe deine Dokumentation von 2017 (Growing Up Gay) gesehen, in der es darum geht als queere Person aufzuwachsen und all die Schwierigkeiten, die dazu gehören. Einer der Dinge, die du dort betonst ist die Wichtigkeit von Verbindungen zu Personen, die genau wissen wie es sich anfühlt queer zu sein. Für junge Menschen bedeutet das im Beispiel der Dokumentation, einer Gruppe von jungen LGBTI* beizutreten. Wie kann man sich auf eine sichere Art und Weise mit Menschen verbinden oder sich ihnen öffnen?
Das ist schwer zu sagen, da man das individuell für sich selbst entscheiden muss. Schließlich weiß man nur selbst wie weit man sich öffnen und was man erzählen möchte. Genau wie mit der Person, der man sich öffnet – wie ist die Verbindung zu dieser Person und wie stark das Vertrauen? Das sind alles sehr individuelle Parameter, wodurch es schwierig ist für mich einen allgemeinen Tipp zu geben. Hinzu kommt das Internet: Manchen Menschen fällt es leichter sich online zu öffnen. Durch das Internet ist es auch einfacherer geworden LGBTI*-Communitys zu finden sowie Unterstützung und ein offenes Ohr. Ich denke, dass das Internet ein sehr guter Weg sein könnte, gerade wenn du in deinem Umfeld nicht das Gefühl hast, darüber reden zu können. Wenn man dann auf Menschen trifft, denen es ähnlich geht, stärkt es das Selbstbewusstsein sowie die Akzeptanz mit sich selbst.
Aber es ist eine komplizierte Sache.

years-years-2021 (c) Universal Music
© Universal Music

Okay, aber wenn man es individuell richtig macht, ist es verdammt gut für die mentale Gesundheit. Seit 2017 hat sich die Welt ein bisschen verändert. Pandemie und Lockdown sind hart für alle, aber als junger, verletzlicher queerer Mensch ist es besonders hart. Die Isolation und die Einsamkeit treffen einen umso härter. Was für Konsequenzen hat die Pandemie auf die queere Community und für die mentale Gesundheit?
Wir müssen akzeptieren, dass es uns alle getroffen hat, aber marginalisierte Gruppen waren bereits vorher in einer fragilen Position. Zusammenkünfte – wie wir eben ja schon festgehalten haben – sind so wichtig für die queere Community. Wenn ich an London denke und die geschlossenen Clubs, Bars und Treffpunkte, dann bricht es mir das Herz wie viele wundervolle Seelen sich nicht mehr treffen, austauschen und empowern können. Alles passiert online und da sind starke Communitys, die auch sehr wichtig und gut sind, aber das kann den menschlichen Kontakt nicht ersetzen. Außerdem kommt es hinzu, dass die Welt „da draußen“ kompliziert und komplex ist. Was ich damit sagen will ist, selbst wenn man sich online geöffnet hat und queer lebt, wird es eine anspruchsvolle Aufgabe sein, dass ins „real life“ zu übertragen.

Wie ist es als Gesellschaft möglich, LGBTI* zu “inkludieren” – so dass es ist, was es ist: völlig normal?
Ich denke dafür benötigt die Gesellschaft eine ganzheitliche Herangehensweise. Queere Menschen sind überall. Momentan gibt es einige Aufschreie von nicht queeren Menschen, zum Beispiel beim Thema Bildung. Dort soll über das Thema aufgeklärt werden, mit entsprechendem Lernmaterial und einige Eltern finden das für ihre Kinder unangebracht. Große Unternehmen werden teilweise boykottiert, wenn sie sich für LGBTI* aussprechen und all solche Dinge passieren gerade. Wenn Fortschritt passiert, kommt es auch immer zu einem Aufschrei, das war zu erwarten, dennoch ist es verrückt zu denken, etwas über queere Menschen zu lernen wäre unangebracht für Kinder. Wir sind nicht unangebracht, wir sind Menschen – das ist Wahnsinn. Auf so einem Level muss man für seine Rechte kämpfen. Wir müssen in all diesen Debatten inkludiert werden und solche Themen immer wieder ins Gespräch bringen – auch wenn es selbstverständlich sein sollte. Das ist eine große Herausforderung und die betrifft auch Intersektionalität noch dazu, denn wir reden bei queeren Menschen auch über schwarze queere Menschen, queere Immigranten, queere Personen verschiedenster Religionen. Wir müssen an all diesen Fronten kämpfen um echte Gleichberechtigung zu erreichen.

© Universal Music
© Universal Music

Das ist das erste Album nur von dir alleine als Years & Years – hat das die Musik beeinflusst?
Ich denke schon, denn ich habe mich ein bisschen freier gefühlt. Ich muss ehrlich sagen, dass der Prozess Musik zu produzieren immer schwieriger wurde. Musik fertigzustellen ist sowieso nicht ganz einfach, besonders die letzten 20 Prozent. In der Vergangenheit war es so, dass wir uns nicht einigen konnten oder wir uns gestritten haben. Aber dieses Mal konnte ich machen was ich wollte. (lacht) Das hat sich ziemlich gut angefühlt. Aber gleichzeitig war es auch ein komisches Gefühl und es kamen Ängste auf, ob ich das Richtige mache. Am Ende war ich aber sehr entschlossen und zielstrebig, eine gute Zeit zu haben und ich denke das hört man in der Musik.

Hattest du Ängste, weil du gelernt hast, dass wenn etwas gut ist, muss es schwer zu erzielen sein?
Das ist ein sehr interessanter Punkt, so habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Ich finde es sehr schwer sich selbst zu vertrauen – zumindest geht es mir so. Dann kommt noch dazu, dass wenn es nicht erfolgreich wird, dass es meine eigene und alleinige Verantwortung ist. Dadurch hat man natürlich Angst zu versagen und ein Versager zu sein. Dieser hochkritische Gedankenprozess lief in meinem Kopf ab.

Du hast gesagt, du hattest so viele Freiheiten. Wie war dieser Prozess, denn manchmal sind Limitierungen etwas sehr Gutes. Wenn man bei Netflix die Freiheit hat, jeden Film der Welt zu schauen, guckt man am Ende oft keinen Film, weil man so viel Auswahl und Möglichkeiten hat. Hast du einen ähnlichen Prozess durchlebt?
Ja, ich habe mich teilweise komplett überfordert gefühlt. Schließlich gibt es Erwartungen vom Label oder den Fans, die man einfach nicht enttäuschen möchte. Man will abliefern, dabei interessant und neu sein, aber die Menschen nicht verschrecken, die die alten Songs mögen und all das geht einem durch den Kopf. Aber damit es am Ende funktioniert, muss man diese Gedanken loslassen und einfach machen, was sich gut anfühlt. Das habe ich versucht zu machen.

Bist du zufrieden mit dem was du versucht hast?
Ja, ich bin sehr glücklich und es ist ein wirklich schönes Gefühl. Außerdem hat jeder kreative Prozess seine Herausforderungen und das Gute daran ist, dass es sich am Ende dann noch besser anfühlt, was man erreicht hat. Jetzt wo es rauskommt, kann ich mich auf mein nächstes Projekt stürzen.
 

© Universal Music
© Universal Music

Was können Fans von deinem neuen Album erwarten?
Es ist ein energiegeladenes, spaßiges Album, zu dem man gut tanzen kann. Ich hatte eine Menge Spaß das Album zu produzieren, habe über verrückte Hook-ups und und Beziehungen getextet, basierend auf meinen Erfahrungen und ich hoffe das erreicht die Menschen. Aber ich möchte, dass die Menschen, die es hören einfach nur eine gute Zeit haben.

Welcher ist dein Lieblingssong auf dem Album und warum?
„Crave“ ist auf jeden Fall ein Favorit, aber es ist so schwierig einen absoluten Lieblingssong zu wählen – ich liebe sie alle.

Es sind ja auch schließlich alles deine Babys.
Ja, genau (lacht). Aber „Crave“ liebe ich, weil es die perfekte Symbiose aus Drama und ABBA ist. Es ist ein merkwürdiger Song, aber wenn ich dieses Lied höre, fühlt es sich so an als wäre ich in einer gespenstischen Zirkuswelt. Es ist einfach ein absoluter Vibe. Das ist zwar eine blöde Art es zu beschreiben, aber das ist, was ich fühle.

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