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Eine Geschichte von Frauenhass und Homophobie

Grüne und der Islam Wenn Politiker Opfer, Frauen und Homosexuelle negieren

ms - 30.09.2022 - 10:30 Uhr

[Kommentar]

Religion und Menschenrechte – ein Spannungsfeld, das seit vielen Jahrhunderten bis hin in die Moderne vor allem vielen Menschen jenseits der männlichen Heterosexualität zum Nachteil gereichte. Frauen, Homosexuelle, queere Menschen werden bis heute im Namen einer Religion gejagt, gesteinigt, kastriert, gefoltert und ermordet. Wenn wir ehrlich sein wollen, so geschieht dies im 21. Jahrhundert in seiner radikalen Ausprägung größtenteils im Zusammenhang mit dem Islam, jüngste Beispiele aus Deutschland sind der Totschlag des 25-jährigen Trans-Mannes Malte in Münster oder der brutale Angriff auf eine Trans-Frau in Bremen. Die mutmaßlichen Täter scheinen nach bisherigen Ermittlungsergebnissen allesamt Muslime gewesen zu sein, sodass es mehr als wahrscheinlich ist, dass die Religion zumindest als Rechtfertigung und ideologische Unterstützung für die grausamen Taten herhalten musste.

Blicken wir jetzt in den Iran, ist die Lage noch wesentlich eindeutiger. Der Iran bezeichnet sich selbst seit 1979 als Islamische Republik. Die politische Macht geht nicht von der Regierung oder dem Volk, sondern von den Religionsführern aus. So gilt seit nunmehr bald 43 Jahren das islamische Recht, die Scharia. Die Scharia basiert auf dem Koran. Sie ist nicht nur Grundlage des Rechts, sondern regelt auch das alltägliche Leben, beispielsweise Ehe, Scheidung, Verhütung, Speisegebote oder auch das Verbot, Zinsen zu nehmen. Im Iran wurden alle Gesetze, die nicht mit dem Islam vereinbar waren, aufgehoben. Die Strafen sind heute drakonisch: Abschlagen einer Hand für Diebstahl, Steinigung für Ehebruch, die Todesstrafe für Homosexualität oder die Abkehr vom Islam. Das Lexikon Wikipedia vermerkt dazu: “Der Iran ist heute ein Staat, in dem die Religion fast jeden Aspekt des sozialen Lebens durchdringt.“ Zu der Staatsreligion bekennen sich offiziell rund 95 Prozent der Iraner, die sich selbst als Muslime bezeichnen. Im Namen des religiösen Staates und der Religion selbst werden Andersgläubige, Atheisten, Homosexuelle, LGBTI*-Aktivisten, westliche Vordenker oder auch gerne Frauen, die sich weigern ihr Kopftuch zu tragen, hingerichtet oder erschlagen. Amnesty International verzeichnete allein in diesem Jahr bisher mindestens 250 solcher Tötungen. Seit dem Ausruf zur islamischen Republik gehen seriöse Schätzungen von mindestens 6.000 ermordeten Homosexuellen aus, erst in diesem Monat wurden zwei lesbische Frauen zum Tode verurteilt, weil sie es gewagt haben sollen, in westlichen Medien sowie auf Social Media über die dramatischen Lebensbedingungen zu berichten, die aufgrund der islamischen Religion Schwule, Lesben und queere Menschen tagtäglich ertragen müssen.  

Wenn nun also wie gestern geschehen, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock im Bundestag erklärt, der Tod von Mahsa Amini, einer Iranerin, die sich weigerte, korrekt das Kopftuch zu tragen, daraufhin inhaftiert wurde und in Polizeigewahrsam starb, habe nichts mit Religion zu tun, ist das nicht nur eine Verkennung der Tatsachen, es ist ein bewusstes Wegsehen und ein verbaler Faustschlag in das Gesicht aller unterdrückten Frauen, sowohl im Iran wie auch anderenorts. Es ist die Bankrotterklärung einer grünen Politik und einer Außenministerin, die nach Eigenaussage “feministische Außenpolitik“ betreiben wollte. Wörtlich sagte Baerbock: „Bei allem Respekt vor kulturellen und religiösen Unterschieden, wenn die Polizei, wie es scheint, eine Frau zu Tode prügelt, weil sie aus Sicht der Sittenwärter ihr Kopftuch nicht richtig trägt, dann hat das nichts, aber auch gar nichts mit Religion oder Kultur zu tun (...) Der feige Mord an Jina Mahsa Amini ist kein Einzelfall, sondern er ist Ausdruck eines Systems,  eines Machtsystems, das auf Gewalt gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern, auf Gewalt gegenüber seinen regionalen Nachbarn - im Zweifel auch mit Nuklearwaffen -, aber eben auch auf einem System der Erniedrigung und Gewalt gegenüber Frauen basiert.“

Diese starre Ideologie, die in manchen grünen Kreisen offenbar in ihrer Sturheit inzwischen selbst einer Religion gleicht, der man nicht mehr widersprechen darf, scheinen auch Menschen anzuhängen, die sich gerade für die Rechte von jenen vulnerablen Minderheiten einsetzen sollten, die von der Gewalt am schlimmsten betroffen sind. So twitterte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann nicht nur freudig das Zitat von Baerbock, sondern bedankte sich auch noch für die “glasklare Rede im Bundestag“. Der digitale Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten, dutzende Homosexuelle erklärten, Lehmann sei nicht mehr ihr Vertreter in der Bundesregierung. Andere versuchten es mit Humor und fragten nach, warum weder Lehmann noch Baerbock nicht von Flintas anstatt von Frauen gesprochen hatten. Der Hamburger Bundestagsabgeordnete der CDU, Christoph Bernhard de Vries, schrieb: „Das ist nicht nur totale Realitätsverweigerung von Lehmann und Baerbock, sondern eine Verhöhnung von Frauen, Homosexuellen und Oppositionellen, die seit Jahrzehnten Opfer dieses klerikalen, islamischen Mullah-Regimes sind.“ Und der beliebte Kommentator des Focus, Jan Fleischhauer, fragte süffisant nach: „Ist das eigentlich okay, wenn man Vertretern einer fremden Religion abspricht, etwas von dieser Religion zu verstehen oder sie gar zu repräsentieren? In jedem Kolonialismus-Seminar wäre das ein herausragendes Beispiel für westlichen Hochmut.“

 

Vielleicht muss es noch einmal zur Klarstellung gesagt werden: Nicht jeder Muslim ist gewalttätig, nicht jeder Islam-Gläubige hasst Homosexuelle und erniedrigt Frauen. Festgehalten muss aber auch werden, dass der Islam im Gegensetz zur christlichen Glaubenslehre bis heute weder eine Säkularisierung noch maßgebliche Reformen durchleben durfte. Christen sind deswegen nicht besser als Muslime, ihr Glauben ist in puncto Entwicklung hin zur Moderne nur einige Schritte voraus – und selbst dagegen wehrten sich viele Christen jahrhundertelang, nicht wenige bis heute, wenn wir die entwürdigenden Diskussionen aktuell um Homosexuelle in der Kirche oder um mehr Rechte für Frauen im Blick haben, denen sich die Kirchenführung in Rom strikt nach wie vor entsagt. Aber wagen wir doch einen mutigen Vergleich, so wie ihn Lehmann und Baerbock gerade praktizieren: Waren die rund 100.000 Menschen, die zwischen 1450 und 1750 als Hexen in West- und Mitteleuropa hingerichtet worden sind, dann, wie es Lehmann verkürzt schreibt, auch nur Opfer und “Ausdruck eines Machtsystems, das auf Erniedrigung und Gewalt basiert“? Am Ende ist es wohl sehr einfach: Gewalt gegenüber Frauen, Homosexuellen und queeren Menschen geht im Iran wie aber ebenso in Deutschland auch (aber natürlich nicht nur!) von Vertretern und Gläubigen des Islam aus, wobei die Religion dabei als maßgebliche Begründung oder/und Rechtfertigung für die Taten benutzt wird – das passt offensichtlich nicht ins politisch gewünschte Weltbild, welches nicht wert auf sachliche Differenzierung, sondern auf ideologische einfache Sichtweisen legt.  Es ist das gute Recht in einer Demokratie, auch als Partei oder Parteimitglied diese Auffassung zu vertreten. Solche Menschen sollten es dann allerdings künftig unterlassen, für Frauen, Homosexuelle oder die LGBTI*-Community sprechen zu wollen, denn offensichtlich fehlt die Einsicht oder der Willen, Gefahren klar zu benennen. 

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