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Affenpocken: Pride-Paraden als Super-Spreader-Events? // © holgs
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Pride-Paraden als Super-Spreader-Events? Britische Gesundheitsexperten raten im Zweifelsfall zu Sex-Verzicht

ms - 02.06.2022 - 14:45 Uhr

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt jetzt vor einer möglichen massiven Ausbreitung der Affenpocken auf den Pride- und CSD-Veranstaltungen in den nächsten drei Monaten.

Die LGBTI*-Demonstrationen könnten zu Super-Spreader-Events für die Virusinfektion werden. „Europa befindet sich nach wie vor im Epizentrum des größten und geografisch am weitesten verbreiteten Affenpockenausbruchs, der jemals außerhalb der endemischen Gebiete in West- und Zentralafrika gemeldet wurde. Das Potenzial für eine weitere Übertragung in Europa und anderswo während des Sommers ist hoch. Die Affenpocken haben sich bereits vor dem Hintergrund mehrerer Massenveranstaltungen in der Region ausgebreitet. In den kommenden Monaten sind Dutzende von Festivals und großen Partys geplant, bei denen es zu einer weiteren Ausbreitung kommen kann“, so Dr. Hans Henri Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.

Aktuell wird angenommen, dass der Ausbruch bereits Mitte April seinen Anfang genommen hat und gerade auch durch mehrere Events wie einen Pride auf Gran Canaria sowie durch ein Gay-Fetisch-Festival in Antwerpen verbreitet wurde.   

In ganz Europa gibt es aktuell mehr als 500 Infizierte, in Deutschland sind momentan 33 (Stand 31 Mai) Fälle aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt bekannt. Bei den meisten Infizierten handelt es sich nach wie vor um schwule und bisexuelle Männer, grundsätzlich kann die Virusinfektion aber jeden Menschen befallen, wobei eine Übertragung zumeist durch engen Körperkontakt geschieht.

Die ersten Fälle außerhalb Afrikas traten offiziell im Mai in Großbritannien auf – das Vereinigte Königreich hat bis heute mit aktuell rund 180 Infizierten auch die bisher größte Ausbreitung zu beklagen.  

Die bisherigen Fälle verlaufen relativ milde, Deutschland hat trotzdem bereits für Juni in einem ersten Schritt 40.000 Präparate eines Impfstoffes bestellt, der zu einer hohen Prozentzahl auch gegen Affenpocken wirken soll. Weitere 200.000 Dosen sollen kommen. Sowohl das Robert-Koch-Institut wie auch das Gesundheitsministerium oder auch Organisationen wie die Deutsche Aidshilfe gehen nicht von einer neuen Pandemie aus, betonten aber trotzdem, dass zahlreiche soziale Kontakte risikobehaftet sind. Dabei wird auch immer wieder betont, dass trotz aller Warnungen schwule und bisexuelle Männer nicht stigmatisiert werden dürfen.

Dieses Anliegen verfolgt auch die WHO. Kluge hofft darauf, dass die Pride-Veranstaltungen auch "gute Möglichkeiten bieten, junge, sexuell aktive und global mobile Menschen anzusprechen, um das Bewusstsein zu schärfen und den Schutz des Einzelnen und der Gemeinschaft zu stärken." Kluge schlägt dabei vor, dass sich die Gesundheitsbehörden vor großen Events darauf konzentrieren sollten, junge Menschen zu sensibilisieren und mit den Veranstaltern darüber zu sprechen.

Ferner erklärte Kluge, dass der europäische Ausbruch der Affenpocken "derzeit durch soziale Kontakte übertragen werde, die größtenteils mit sexuellen Aktivitäten verbunden sind, an denen vor allem Männer beteiligt sind, die Sex mit Männern haben."

Dabei sei eines allerdings auch besonders zu betonen: "Die schwule und bisexuelle Gemeinschaft hat ein hohes Bewusstsein für ihre sexuelle Gesundheit und ein schnelles Verhalten bei der Sicherung ihrer Gesundheit gezeigt. In der Tat sollten wir sie dafür loben, dass sie sich frühzeitig an die Gesundheitsdienste wenden.“ Ebenso zur Verbreitung beigetragen habe laut der WHO auch die Aufhebung von Corona-Maßnahmen.

Kluge stellte abschließend klar: „Wir wissen noch nicht, ob wir eine Ausbreitung vollständig eindämmen können." Um dies zu schaffen, müssten Ansteckungen etwa durch klare Kommunikation, Isolierung von Infizierten und effektive Kontaktnachverfolgung reduziert werden.

Die britische Gesundheitsbehörde (UKHSA) rief in dieser Woche dagegen Personen mit verdächtigen Symptomen (Fieber, Müdigkeit, Grippe-Anzeichen, Ausschlag) dazu auf, Sex zu vermeiden, und fügte hinzu: "Obwohl es derzeit keine Beweise für Affenpocken in genitalen Ausscheidungen gibt, wird den Betroffenen als Vorsichtsmaßnahme empfohlen, acht Wochen lang nach der Infektion Kondome zu benutzen, und diese Empfehlung wird aktualisiert, sobald neue Beweise vorliegen."

Entwarnung kam im Gegensatz dazu von anderer Stelle innerhalb der WHO. Andy Seale, Strategieberater in der WHO-Abteilung für Programme für sexuell übertragbare Infektionen, erklärte: "Es ist wichtig, dass Menschen, die den Gay Pride oder einen LGBTI*-Pride feiern wollen, dies auch weiterhin tun und planen. Die meisten dieser Veranstaltungen - die offiziellen Veranstaltungen - finden im Freien statt. Wir sehen keinen wirklichen Grund zur Besorgnis bezüglich einer erhöhten Übertragungswahrscheinlichkeit in diesem Kontext."

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