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Vorgeschlagene neue Leiterin Ataman sei „eine krasse Fehlbesetzung“

Streit um Antidiskriminierungsstelle Vorgeschlagene neue Leiterin Ataman sei „eine krasse Fehlbesetzung“

ms - 16.06.2022 - 10:00 Uhr

Abermals schlägt die Personalie um die Neubesetzung der wichtigen Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hohe Wellen – seit rund vier Jahren ist der Posten nur kommissarisch besetzt, nachdem zuletzt die Kritik im Raum stand, dass bei der geplanten Postenvergabe politische Freundschaften zum Vorzug gekommen seien. Im Frühjahr hatte daraufhin der Bundestag beschlossen, dass die Leitung nicht mehr wie bis jetzt vom Bundesfamilienministerium ernannt wird, sondern im Deutschen Bundestag offiziell gewählt werden muss.  

Das Bundeskabinett hat daraufhin jetzt beschlossen, Ferda Ataman (43) für die Position vorzuschlagen. Die Publizistin war bisher Referatsleiterin der ADS und engagierte sich für mehr Vielfalt und Diversität in den Medien. Als Journalistin hatte Ataman mehrfach für Diskussionen gesorgt, zuletzt im Jahr 2020, als sie in einem Spiegel-Artikel verteidigte, dass man deutsche Bürger ohne Migrationshintergrund als “Kartoffel“ bezeichnet. Während Ataman für die einen eine Kämpferin für Gleichberechtigung ist, ist sie für die anderen eine linke Aktivistin, die vor allem in puncto Gewalt ausgeübt von Menschen mit Migrationshintergrund immer wieder wegsehen würde. Gegenüber der BILD erklärte beispielsweise der Fraktionsvize der CDU, Andreas Lindholz: „Frau Ataman fiel bisher vor allem mit plumpen Provokationen und harter linker Ideologie auf.“ Kollege Stefan Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe stimmte dem zu und meinte weiter: „Sie ist bisher vor allem mit verbalen Ausfällen gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund aufgefallen und daher eine krasse Fehlbesetzung für das Amt!“

Kritisch sieht den Vorschlag des Bundeskabinetts auch der Islamismus-Experte Ahmad Mansour – Ataman sei „in Wahrheit eine Beauftragte für Cancel Culture und Spaltung der Gesellschaft. Diese Politik wird für noch mehr Diskriminierung sorgen, da sie Menschen nach Herkunft und Hautfarben unterteilt. Die Kritik an ´alten weißen Männern´ oder ´Kartoffeln´ ist Intoleranz unter dem Deckmantel der Anti-Diskriminierung.“ Via Twitter erklärte Mansour zudem weiter: „Mit dieser Personalie als Antidiskriminierungsbeauftragte zeigt die Bundesrepublik, was sie wirklich von den Bemühungen hält, den Islam zu demokratisieren, vom täglichen Kampf für Menschenrechte, Mündigkeit und Meinungsfreiheit, nämlich nichts!“ Kurz vor Bekanntgabe der Entscheidung für Ataman wurden auf dem Twitter-Portal der Publizistin rund 14.000 Tweets seit 2012 gelöscht, die teilweise immer wieder zu Kontroversen geführt hatten. Warum diese Löschung so plötzlich vorgenommen worden war, wollte auf BILD-Nachfrage niemand beantworten.

Die Problematik, dass gerade auch queere Menschen immer wieder von Anfeindungen von Menschen mit Migrationshintergrund verbunden mit einer stark ausgeprägten Religiosität betroffen sind, belegten bereits mehrfach Studien der Bundesregierung. Zuletzt erklärte auch vor kurzem der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, dass Muslime in Deutschland die Homosexuellen-Feindlichkeit in den eigenen Reihen aufarbeiten müssten. Begrüßt wurde die Personalie indes vom Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, sowie auch von Bundesfamilienministerin Lisa Paus, die erklärte: „Ich bin davon überzeugt: Diversität ist die Stärke unserer Gesellschaft. Mit dem Vorschlag zur Wahl von Ferda Ataman zur Unabhängigen Beauftragten für Antidiskriminierung durch den Bundestag werden wir diese Stärke unserer Gesellschaft weiter ausbauen. Ferda Ataman steht für großes Engagement für eine inklusive, demokratische Gesellschaft. Ich bin mir sicher, als neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird sie all denjenigen eine starke Stimme verleihen, die in Deutschland Diskriminierung erfahren. Wir werden nicht hinnehmen, dass Diskriminierungen für viele Menschen zur bitteren Realität gehören - ob aus rassistischen Gründen oder wegen des Geschlechts, der sexuellen Identität, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder wegen einer Behinderung.“

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wurde entsprechend dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und in Umsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien als unabhängige, nationale Gleichbehandlungsstelle der Bundesrepublik Deutschland errichtet. Sie berät von Diskriminierung betroffene Menschen, betreibt Öffentlichkeitsarbeit, führt wissenschaftliche Untersuchungen zu Diskriminierungen durch und gibt Empfehlungen zu deren Vermeidung. Im Jahr 2020 sind die Beratungsanfragen an die ADS um 78 Prozent gestiegen. Von 2017 bis 2020 verzeichnete die ADS insgesamt mehr als 16.000 Beratungsanfragen.

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