Direkt zum Inhalt
Viele nicht-binäre Menschen sind psychisch krank // © PKpix
Rubrik

Weltweit größte Studie zeigt Besonders betroffen: Junge Menschen bis 24 Jahre

ms - 21.03.2022 - 13:30 Uhr

In dieser Klarheit erschrecken die aktuellen Zahlen des Mental State of the World Report 2021, der die weltweite Gesundheit von Menschen miteinander vergleicht und auswertet. Für das Jahr 2021 hat das Forschungsteam des Sapien Labs in dem Report die Umfragen von 223.000 Menschen aus 34 Ländern ausgewertet. Damit handelt es sich bei dem jetzt vorgelegten Bericht um die weltweit größte und detaillierteste Studie zum geistigen Wohlbefinden der Menschen.

Eines sticht dabei sofort heraus: Nicht-binäre Menschen haben eine schlechtere psychische Gesundheit als alle anderen Geschlechter. Im Durchschnitt leidet jeder zweite, nicht-binäre Mensch (51 Prozent) an einer klinischen Störung.

Die Forscher von Sapien Lab konzentrierten sich dabei auf die Beobachtung von Veränderungen des Geistes und des Gehirns. Von Region zu Region unterschiedlich, sind zwischen 31 und 85 Prozent der nicht-binären Menschen psychisch stark belastet. Damit befinden sich nicht-binäre Menschen im unteren Bereich der Skala für psychische Gesundheit und Wohlbefinden, weiter oben finden sich Frauen und an oberster Stelle heterosexuelle Männer.

Mental stabil sind demnach 68 Prozent der Männer und 62 Prozent der Frauen. Nicht-binäre Menschen erreichen dagegen nur noch 25 Prozent im Durchschnitt, wobei abgestuft nach mehreren Krankheitsbildern rund die Hälfte aller nicht-binären Menschen per Definition eine klinische, zu behandelnde Störung hat. Am stärksten vertreten ist dieses Krankheitsbild bei jungen und nicht-binären Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren. Tara Thiagarajan, Gründerin und leitende Wissenschaftlerin von Sapien Labs dazu:

„Das unmittelbarste Problem, das sich aus den Daten ergibt, ist, dass ein alarmierender Rückgang des psychischen Wohlbefindens der jüngeren Generationen in allen von uns untersuchten Ländern festzustellen ist. Die Gründe für diesen Rückgang sind wahrscheinlich zahlreich und komplex, tragen aber zur Debatte über die Folgen des Aufwachsens in einer vom Internet dominierten und ungerechten Welt bei.“

 

Zum Vergleich: Während im Durchschnitt nur 7 Prozent der älteren Menschen (65+) mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, zeigen 44 Prozent der jungen Personen bis 24 Jahren eine psychische Störung, die als „klinisch zu therapieren“ einzustufen ist. Die Daten zeigen auch, dass zudem transsexuelle Menschen in schlechterer psychischer Verfassung sind als andere Gruppen. Für alle Fakten gilt zudem, dass diese unabhängig davon sind, ob die betroffene Person queer oder heterosexuell ist.

Ein wesentlicher Aspekt für die erdrückenden Ergebnisse ist nach Aussagen des Forschungsteams die Corona-Pandemie, die in besonderem Maße die psychische Gesundheit von LGBTI*-Personen verschlechtert hat und darüber hinaus auch für mehr Fälle von Missbrauch und häuslicher Gewalt gegenüber Queers geführt hat. Auch und insbesondere bei trans-Personen verschlechterte sich die psychische Gesundheit während der Pandemie und den Lockdowns und bei vielen von ihnen verschlimmerte sich auch die Geschlechtsdysphorie aufgrund der Unterbrechung der geschlechtsspezifischen Versorgung.

Ein weiterer Punkt, der in der Studie überrascht: In reichen englischsprachigen Ländern ist die psychische Gesundheit schlechter als anderswo. Weltweit verschlechterte sich die psychische Gesundheit im Jahr 2021 weiter, wenn auch nicht ganz so dramatisch wie 2020, im ersten Jahr der Pandemie. Dabei stellte das Expertenteam fest, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Landes negativ mit der psychischen Gesundheit korreliert. Kurz gesagt: Je besser es der Wirtschaft eines Landes geht, desto schlechter ist die psychische Gesundheit der Bevölkerung. So landen ganz unten in puncto mentale Gesundheit Länder wie die USA, Kanada, Großbritannien, Irland, Australien und Neuseeland.

Tara Thiagarajan, Gründerin und leitende Wissenschaftlerin von Sapien Labs, in einer Erklärung:

"In diesem Jahr haben uns die Ergebnisse ehrlich gesagt überrascht. Es ist der erste Blick auf das Ausmaß der Unterschiede im psychischen Wohlbefinden zwischen Altersgruppen, Geschlechtern und Ländern. Die Ergebnisse gaben uns zu denken, dass unser System des Wirtschaftswachstums, die Werte des Individualismus und die Verlagerung von persönlicher zu weitgehend digitaler Interaktion vielleicht ein Umfeld mit schlechtem, psychischem Wohlbefinden begünstigt. Diese Daten machen deutlich, dass wir ein neues Paradigma brauchen, um den menschlichen Geist zu fördern."

Auch Interessant

Mehr Diversity! Oder nicht?

Zu viel oder zu wenig Diversität?

Diversity liegt im Trend, im Mai wird Diversity einmal mehr groß gefeiert. Doch haben wir inzwischen zuviel oder zuwenig davon?
Scham vor der PrEP

Slutshaming in der Gay-Community

PrEP-Nutzer sind sexgeile Schlampen! Wirklich? Woher kommt dieses Denken? In Großbritannien regt sich jetzt Widerstand gegen das schwule Slutshaming.
Nächste Todeszone in Afrika

Burkina Faso plant Hass-Gesetz

Das nächste afrikanische Land will Homosexualität unter Strafe stellen: Burkina Faso prüft gerade neue Verbote.
Erhöhte Gefahrenlage vor ESC

Reisewarnung zum ESC in Schweden

Im schwedischen Malmö herrscht erhöhte Gefahrenlage vor dem ESC. Der Sicherheitsrat Israels warnt vor einem Anschlag, die Polizei ist stark präsent.
Polens neue Wege

Umdenken in der Gesellschaft

Polens neue Regierung kämpft für mehr Rechte für Homosexuelle. Jetzt zeigt sich, die Unterstützung in der Bevölkerung dafür wächst immer mehr an.
Zu viel LGBTI* im TV?

LGBTI*-Charaktere im US-Fernsehen

Binnen eines Jahres gab es fast 20 Prozent weniger LGBTI*-Charaktere im US-Fernsehen. Ist der Markt übersättigt oder gibt es andere Gründe?
Tödliche Penisvergrößerung

Bundesgerichtshof bekräftigt Urteil

Der Wunsch nach einem „monströsen Gehänge“ endete für einen Schwulen tödlich. Das Urteil gegen den Pfuscher der Penisvergrößerung ist nun rechtskräftig.
Einheitliche Haftbedingungen

EU-Komitee fordert bessere Regelungen

Seit Jahren lodert die Streitdebatte, wie mit Trans-Häftlingen umzugehen sei. Nun hat der Europarat seine Empfehlungen veröffentlicht.