Apropo Leben Perspektivwechsel
Ich habe Knie. Nichts Weltbewegendes - das passiert eben, wenn Knochen und Gelenke in die Jahre kommen. Eine Art Altherrenleiden, oder so. Manchmal ertappe ich mich dabei, wenn ich mich morgens aus dem Bett hieve, dass ich innerlich etwas fluche. Die ersten Schritte tun weh, dann geht es besser. Echter Quälkram sind Treppen, und rennen geht zurzeit gar nicht. Dann nehme ich eben den Bus danach. Allerdings habe ich Erstaunliches an mir festgestellt: Einen Perspektivwechsel.
Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit bin, dann freue mich über jede Rolltreppe und jeden Aufzug. Vorausgesetzt, diese funktionieren auch. Es fällt mir jetzt erst auf, wie oft zum Beispiel Rolltreppen repariert werden müssen, und frage mich auch, warum das so lange dauert. Müssen die Ersatzteile aus Fernost besorgt werden? Manche Bahnhöfe sind noch von anno dunnemal und haben ausgetretene Stufen, die nicht sehr angenehm zu betreten sind. So bin ich also in einer Lage, die manche Menschen ein Leben lang ertragen müssen, nämlich auf bestimmte technische Einrichtungen des öffentlichen Raums angewiesen zu sein. Und nicht nur das: Auch das mitfühlende Verständnis meiner Mitmenschen erscheint zunehmend wichtig. Früher bin ich immer vorne weg und teilweise hastig an den langsameren Leuten vorbei geeilt, nahm davon wenig Notiz, sah nur das Hindernis, das es zu überwinden galt. Heute registriere ich mit anderen Augen, wer alles mit Krücken, an Rollatoren, mit Orthesen und Rollstühlen unterwegs ist. Oder einfach nur humpelt. Dann frage ich mich, was wohl dahinter steckt. Früher hätte ich darauf keinen Gedanken verschwendet. Wenn man etwas wackelig ist, dann drängeln die Gesunden hinter einem, werfen auch schon mal verächtliche Blicke zu. Manchmal auch mitleidige. Bekannte fragen, wie es einem so geht, was der Grund für den unsicheren Gang ist. Im Alltag kommen Gleichgültigkeit und auch Rücksichtslosigkeit nicht selten vor. Ich hoffe natürlich, und mein Arzt bestärkt mich darin, dass meine körperliche Einschränkung nur zeitweise bestehen wird. Aber diese Erfahrung ist wahrlich heilsam, unabhängig vom Verlauf der Krankheit. Denn man sieht die Welt mit anderen Augen. Und ist dankbar, dass man so lange unbeschwert leben konnte.
Große und kleine Behinderungen können jeden Menschen jederzeit ereilen. Unfälle passieren, da steckt man nicht drin. Krankheiten treten auf, manchmal altersbedingt, durch einen ungesunden Lebenswandel oder einfach so. Für mich bedeutet diese Krise zugleich auch eine Chance. Vielleicht ist es ein Fingerzeig des Schicksals. Ich bemitleide mich nicht, sondern arbeite an einem neuen Bewusstsein. Ich sollte mein Körpergewicht reduzieren, also esse ich gesünder und nur noch die Hälfte. Ich sollte meine Beweglichkeit verbessern, also mache ich regelmäßig Ausdauersport, der für mich geeignet ist. Resilienz ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselbegriff: Wie gehe ich mit einer Situation um, die ich nicht voll beherrschen kann und die viel Geduld und manchmal auch etwas Tapferkeit erfordert. Demut, Dankbarkeit und Optimismus sind Elemente einer inneren Lebensführung, die helfen kann, wenn Hilfe von außen schwierig wird.
Barrierefreiheit
Dieser Begriff und dessen Umsetzung in konkrete Maßnahmen bezieht sich nicht nur auf bauliche Anpassungen und Veränderungen bei der Zugänglichkeit im öffentlichen Raum, sondern betrifft alle Lebensbereiche. Aus den verschiedensten Gründen haben Menschen nicht die gleichen Fähigkeiten und Kompetenzen. Um dies auszugleichen, sollten Teilhabe und Inklusion durch kluge und technisch ausgereifte Angebote ermöglicht werden. Die natürlichen und künstlichen Barrieren in der Umwelt müssen gefunden, analysiert und beseitigt werden, damit alle im Leben zurecht kommen können.