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Neue HIV-Studie

Neue HIV-Studie Wir das Immunsystem dauerhaft durch die HIV-Erbsubtanz angegriffen, auch bei bestmöglicher Therapie?

ms - 10.10.2023 - 10:00 Uhr

HIV-Medikamente unterdrücken die Virusvermehrung, bestenfalls bis unter die Nachweisgrenze, sodass HIV dann nicht mehr beim Sex übertragbar ist – soweit so bekannt. Eine neue US-Studie wirft nun aber die fundierte These in den Raum, dass eine HIV-Therapie indirekt auch dazu beiträgt, dass es zu chronischen Entzündungen im Körper von Menschen mit HIV kommen kann.

HIV-Erbsubstanz triggert das Immunsystem

Die Grundannahme geht dabei auf die HIV-Erbsubstanz zurück, die in den menschlichen Zellen weiterhin vorhanden ist, aber „ruht“. Diese Zellen produzieren dabei aber trotzdem durch sogenannte klonale Expansion defekte Proteine mit defekten HIV-Sequenzen und diese wiederum können das Immunsystem eines Menschen dauerhaft so angreifen, dass es so chronischen Erkrankungen kommen kann – diese Entzündungen attackieren dabei verstärkt Herz und Kreislauf. Dass es grundsätzlich eine erhöhte Gefahr für Herzerkrankungen bei HIV-positiven Menschen gibt, ist bereits seit geraumer Zeit bekannt, nun zeigt sich aber offenbar, dass selbst bei erfolgreicher Therapie solche chronischen Prozesse im Körper ablaufen können.

Virusbestandteile bleiben in den Zellen

Bisher war HIV-Forschern nicht konkret klar, warum es immer wieder auf niedrigem Niveau zu Entzündungen bei Menschen mit HIV kommt, wobei diese Entzündungen zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes beitragen – anders als in der allgemeinen Bevölkerung. Die Ergebnisse einer Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der US National Institutes of Health bringen diese anhaltenden Entzündungen nun erstmals konkret mit defekten HIV-Partikeln in Verbindung. Ihre Arbeit bestätigt auch das Vorhandensein von Virusbestandteilen trotz eines nicht nachweisbaren Status, wie in der Zeitschrift AIDS detailliert beschrieben wird.  

Immunsystem dauerhaft in Alarmbereitschaft

Die Studie legt dabei erstmals wieder den Schwerpunkt auf das Virus selbst als Hauptverdächtigen, wenn es um chronische Immunsystem-Erkrankungen geht. Bisher war man im medizinischen Bereich vor allem auf andere Faktoren eingegangen, beispielsweise Koinfektionen oder einem ungesunden Lebenswandel durch Rauchen oder Übergewicht.

Die vorliegende Studie bestätigt indes, dass das Vorhandensein defekter HIV-Sequenzen und -Proteine auch nach vielen Jahren der Virusunterdrückung mit einigen Entzündungsmarkern korreliert. Und mehr: „Allein die Tatsache, dass defekte Viren immer wieder fremde Proteine in unserem Körper produzieren können, würde ausreichen, um das Immunsystem in Alarmbereitschaft und damit in einen ständigen Entzündungszustand zu versetzen.“

Klonale Expansion

Die gute Nachricht: Diese defekten Viren können sich nicht erfolgreich vermehren und auch keine neuen Zellen infizieren, aber sie scheinen in einigen infizierten "Reservoir"-Zellen aktiv produziert zu werden. Dabei handelt es sich bei praktisch allen sequenzierten Proben (99,8 %) in der Studie um defekte Viren. Die einzige Erklärung dafür ist damit die Vermehrung des Virus durch klonale Expansion der infizierten Immunzellen und die Produktion defekter Virusbestandteile in diesen Zellen.

Klonale Expansion ist die Fähigkeit einiger Immunzellen, schnell viele Kopien von sich selbst herzustellen, wenn sie durch einen bestimmten Wirkstoff ausgelöst werden. Auf diese Weise kann eine kleine Anzahl von Zellen zu Millionen von identischen Zellen heranwachsen. Wenn sie ein HIV-Virus in sich tragen, vervielfachen sie gleichzeitig die Anzahl der integrierten Viren, während sie klonen.

Defekte Viren lassen sich nicht bekämpfen

Das Problem aus medizinischer Sicht ist zudem, dass sich diese defekten Viren mit Medikamenten bisher nicht bekämpfen lassen, da sie nicht in der Lage sind, sich zu vermehren und neue Viren zu produzieren. In gewissem Sinne sind sie bereits „tot“, so die HIV-Experten. Das Forscherteam hofft nun, dass im Zuge der neuen Ergebnisse zur Erforschung und Verbesserung der HIV-Behandlung auch neue Wege aufgezeigt werden können, die eher auf die Stärkung des Immunsystems als auf das Virus selbst ausgerichtet sind.

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