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10 Jahre Papst Franziskus
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10 Jahre Papst Franziskus Ernüchternde Bilanz für die LGBTI*-Community

ms - 13.03.2023 - 13:00 Uhr

Heute vor zehn Jahren wurde Papst Franziskus zum neuen Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gekürt. Viele konnten vor seiner Wahl wenig mit dem einstmaligen Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, anfangen. Die LGBTI*-Community indes erhoffte sich Verbesserungen und eine Öffnung der Weltkirche hin zu mehr Gleichberechtigung für Homosexuelle und queere Menschen. Immer wieder gab Franziskus auch selbst Anlass dazu, beispielsweise, als er erklärte: "Wenn jemand schwul ist und guten Glaubens den Herrn sucht – wer bin ich, über ihn zu urteilen?"

Homosexuelle bleiben sündhaft

Vom einstigen Hoffnungsträger für die LGBTI*-Community ist heute zehn Jahre später nichts übriggeblieben. Im Laufe der Jahre zeigte sich, dass der Papst ähnlich eines Hütchenspielers stets immer erst eine positive Nachricht für die Community hervorzauberte, um kurz darauf wieder beispielsweise zu erklären, wie sündhaft das Verhalten von Homosexuellen sei. Man mag dem Argentinier zugutehalten, dass er vielleicht tatsächlich bemüht gewesen sein mag – nur kam es zu keinen wesentlichen Verbesserungen. Auch beim Umgang mit den weltweiten Skandalen rund um den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen bewies die Kirchenführung, dass ihr im Kern offenbar bis heute nicht wirklich an Aufklärung oder Wiedergutmachung gelegen ist. Zahlreiche Gutachten allein aus Deutschland der letzten zehn Jahre zeigten auf, dass die Kirche selbst nach Bekanntmachung der Fälle im Wesentlichen weitermachte wie zuvor: Kleinreden, vertuschen, wegsehen.

Reformpläne? Verbot aus Rom!

Auch an einer wirklichen Reform scheint die Kirche nach wie vor kein Interesse zu haben – der in Deutschland im Jahr 2019 begonnene Synodale Weg, ein Zusammenschluss von Bischöfen und Laien, wurde immer wieder massiv angegriffen. Zuletzt im Januar dieses Jahres sprach Franziskus erneut ein Machtwort und forderte ein sofortiges Ende der Reformpläne, die die Gleichstellung von Homosexuellen und Frauen vorsehen und eine neue Sexualethik einleiten sollten. Die deutschen Bischöfe beschlossen daraufhin überraschend Ende letzter Woche mit einer Zweidrittelmehrheit, dass sie sich ganz offen der Weisung des Papstes widersetzen – ab März 2026 sollen homosexuelle Paare in der Bundesrepublik zumindest gesegnet werden können. Der Vatikan ist weiter strikt dagegen, sodass sich immer mehr ein Bruch der Weltkirche abzeichnet.

Risse in der Kirche werden immer tiefer

Diese Risse sind in den letzten Jahren nicht nur zwischen dem Vatikan und Deutschland entstanden, sondern gehen viel tiefer und offenbaren eine generelle Abkehr vom Glauben in weiten Teilen Europas. In Deutschland leben inzwischen mehr Menschen ohne Konfessionen als mit einer, in vielen Teilen Europas stagnieren die Zahlen oder sinken immer weiter. Ganz anders die Lage in Afrika und Asien, hier nimmt die Zahl der Gläubigen jährlich weiter zu.

Die Trennlinien treten also immer deutlicher hervor, im Zentrum der derzeitigen Abspaltungsprozesse liegt Deutschland. Franziskus ist mit 86 Jahren derzeit einer der ältesten Päpste der Kirchengeschichte und so stellt sich die Frage, ob er vielleicht auch der letzte Papst der Weltkirche sein wird, dem zumindest deutsche Kirchenvertreter noch folgen werden. Seine Befürworter feiern Franziskus indes dafür, dass er „in Prozessen“ denken würde und seine „prophetischen Reden“ Prozesse in Gang gebracht hätten – von diesen Prozessen hat indes die LGBTI*-Community bis heute in der Realität jenseits warmer Worte noch nichts mitbekommen.

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