Katar im Fokus Human Rights Watch kritisiert das Wegsehen seitens der Politik
Es dürfte der wahrscheinlich letzte Versuch von politischer Seite aus sein, im Emirat Katar vielleicht eine kleine Form des Umdenkens mit Blick auf die dramatische Menschenrechtslage für Homosexuelle vor Ort zu erreichen – rund einen Monat vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Thema vor Ort noch einmal auf den Tisch bringen. Allerdings liegt der Fokus wohl mehr auf der Sicherheitslage für LGBTI*-Fans, die nach Katar reisen, als auf die allgemeine Situation von Homosexuellen im Emirat – diesen drohen bis heute mehrjährige Haft- oder auch die Todesstrafe.
„Im Mittelpunkt der Reise stehen die Menschenrechtsfragen, die rund um das Turnier diskutiert werden, etwa der Schutz von queeren Menschen vor Diskriminierung und Verfolgung sowie die Verantwortung für Wanderarbeiter, die die WM-Stadien gebaut haben“, so eine Sprecherin des Innenministeriums. Seriösen Schätzungen zufolge sollen bis zu 15.000 Gastarbeiter aufgrund von unmenschlichen Arbeitsbedingungen gestorben sein. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) blickt dabei wohl wie andere Fachleute kritisch auf die jüngsten Ankündigungen seitens der Bundesregierung und veröffentlichte jetzt neuste Fakten zur aktuellen Lage von homosexuellen und queeren Menschen im Wüstenstaat. In ihrem heutigen Bericht erklärt HRW, dass katarische Sicherheitskräfte erst im vergangenen Monat immer wieder willkürlich Homosexuelle verhaftet und misshandelt hätten. Katar selbst bestreitet wie zumeist die Vorwürfe. Einmal mehr betonte ein Sprecher des Golfstaates, dass homosexuelle Touristen sicher sein, solange sie ihre gleichgeschlechtliche Zuneigung nicht öffentlich zeigen würden.
Für HRW eine unzumutbare Situation – die Menschenrechtsorganisation erklärte dazu heute: "Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität sollte dauerhaft für alle Einwohner Katars garantiert werden, nicht nur für die Zuschauer, die zur Fußballweltmeisterschaft nach Katar reisen." So scheinen sich die Befürchtungen von LGBTI*-Organisationen vor Ort zu bestätigen, die mehrfach in den letzten Monaten erklärt hatten, dass der Fokus nur auf homosexuelle Besucher gelegt werde, die einheimische LGBTI*-Community würde einmal mehr im Stich gelassen. Auch beim Besuch von Innenministerin Faeser scheint es vornehmlich um LGBTI*-Touristen zu gehen. Begleitet wird Faeser dabei von einer Delegation des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) um Präsident Bernd Neuendorf sowie von der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Luise Amtsberg. Dutzende LGBTI*- und CSD-Vereine hatten zuletzt auch den DFB stark kritisiert, seitdem dieser zusammen mit anderen internationalen Verbänden die Kapitänsbinde “One Love“ vorgestellt hatte – eine Armbinde, die für Vielfalt einstehen soll, dabei zwar in bunten Farben präsentiert wird, aber bewusst die Farbenfolge des Regenbogens als Zeichen der LGBTI*-Community umgeht. So könne jeder daraus herauslesen, was immer er wolle – ein starkes Zeichen für die Menschenrechte sei dies allerdings nicht, so die vielfach geäußerte Kritik.