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Rassismus im Gesundheitswesen
Rubrik

Rassismus im Gesundheitswesen Schwarze Menschen mit HIV sind besonders betroffen

ms - 24.03.2023 - 12:00 Uhr

Die Deutsche Aidshilfe kritisiert mit scharfen Worten den „alltäglichen“ Rassismus im Gesundheitswesen – besonders davon betroffen seien neben schwarzen Menschen generell auch jene Personen, die in mehreren Aspekten zu einer marginalisierten Gruppe gehören, beispielsweise weil diese auch HIV-positiv oder homosexuell sind. Die Folgen dieser mehrfachen Diskriminierung können nach Aussage der DAH „lebensbedrohlich“ sein.

65 Prozent erlebten Diskriminierung

„Rassismus ist im deutschen Gesundheitswesen Alltag – aber das merken bisher fast nur diejenigen, die es betrifft. Eine Auseinandersetzung mit Rassismus in Gesundheit und Pflege wurde bisher schändlich vernachlässigt“, so Omer Ouedraogo, Referent für Migration bei der DAH. Nach Angaben des Afrozensus sowie der DAH-Studie „positive stimmen 2.0“ erlebten fast 65 Prozent der schwarzen Menschen in Deutschland binnen der letzten zwei Jahren Diskriminierung im Gesundheitsbereich, größtenteils aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer ethnischen Herkunft.

Zwei Drittel der rund 6.000 Befragten wurden Zeuge davon, wie Ärzte ihre Beschwerden nicht ernst nahmen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berichtet unter anderem von rassistischen Beleidigungen, Benachteiligungen bei Behandlungen sowie Verweigerungen von Leis­tungen der Gesundheitsversorgung, beispielsweise aufgrund unzureichender deutscher Sprachkenntnisse. Bei den schwarzen Menschen mit HIV berichteten 56 Prozent von Rassismus-Erfahrungen im deutschen Gesundheitswesen.

Schwerwiegende Folgen

Die Folgen der genannten Missstände reichen von Fehl- und Spätdiagnosen über Retraumatisierungen bis hin zu Behandlungsabbrüchen, so die DAH weiter. Beinahe jeder fünfte Befragte (18 %) hat Angst, erneut Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen. „Rassismus wirkt sich auf die Psyche aus. Die Menschen brennen schneller aus, sie haben Angst. Sie trauen sich nicht, Beratung in Anspruch zu nehmen oder sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Dies bedeutet in der Folge eine massive Einschränkung der Lebensqualität, die wir so nicht hinnehmen dürfen“, so DAH-Vorstandsmitglied Björn Beck. Gerade auch bei Menschen mit HIV seien solche Erfahrungen doppelt dramatisch und führten zu lebensgefährlichen Spätdiagnosen, unbehandelten HIV-Infektionen oder gar einem möglichen Ausbruch von Aids.

Misch dich ein!

Unter dem Motto „Misch dich ein!“ fordert die DAH mehr Sensibilisierung und konkrete Gegenmaßnahmen sowie einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Menschen, unabhängig von Hautfarbe, sexueller Orientierung oder anderweitigen Kriterien. Wie wichtig ein Umdenken ist, belegen auch die Interviews, die die DAH mit schwarzen Menschen geführt hat.

„Rassistische Benachteiligung und Diskriminierung wegen HIV sind generell häufig miteinander verwoben und lassen sich nur schwer auseinanderhalten. So wird zum Beispiel Menschen afrikanischer Herkunft oft unterstellt, sie ´brächten´ HIV und würden den deutschen Krankenkassen zur Last fallen; zugleich wird eine Verbindung zu stereotypen, rassistischen Vorstellungen ihrer Sexualität hergestellt.“ Ein schwarzer Interview-Partner hatte so exemplarisch erklärt: „Viele fragen mich ganz direkt nach HIV, weil ich schwarz bin.“

Vorstandsmitglied Beck abschließend: „Politik und Medizinsystem müssen alle Dimensionen des Rassismus im Gesundheitswesen endlich ernst nehmen und gegensteuern. Zugleich müssen wir alle uns eigenen rassistischen Denk- und Handlungsweisen stellen, uns öffnen und dazu lernen – das gilt natürlich auch für uns Aidshilfen.“

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