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Noch nie zuvor hat ein Präsident so viel für queere Menschen getan!
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Ein Jahr LGBTI* in den USA Kann die LGBTI*-Politik in den USA auch ein Vorbild für die Ampel-Regierung werden?

ms - 21.01.2022 - 15:30 Uhr

Seit einem Jahr ist „sleepy Joe“, wie Donald Trump den amtierenden Präsidenten Joe Biden immer wieder gerne verächtlich genannt hat, nun im Amt. Ein Jahr, in dem er erstaunlich viel für die LGBTI*-Community getan hat. Mehr, als sein Vorgänger in den gesamten vier Jahren. Obwohl man fairerweise sagen muss, wirklich viel hatten wir von dem „Pussy-Grabscher“ Donald auch nicht erwartet.

Joe Biden hat massive Verbesserungen für die LGBTI*-Community durchgesetzt, obwohl das Jahr fest im Würgegriff der anhaltenden Covid-19-Pandemie war. So müsste seine Leistung sogar noch stärker bewertet werden. Nebst Barack Obama ist der amtierende 46.Präsident erst die zweite Person im Chefsessel des White House, die sich wirklich nachhaltig für queere Menschen einsetzt – das zeigte sich bereits bei seiner Amtseinführung, als er Lady Gaga singen lies. Gleich an seinem ersten Tag im Amt hat Biden dann eine weitreichende Verfügung zur Bekämpfung von Anti-LGBTI*-Diskriminierung unterschrieben.

In den folgenden Monaten riss die Folge von positiven Meldungen für die LGBTI*-Community nicht ab: Er ernannte Pete Buttigieg zum ersten schwulen Kabinettssekretär und den schwulen Ex-Botschafter Rufus Gifford zum Protokollchef, kippte ehemalige queerfeindliche Verbote von Trump (beispielsweise das Verbot für Transgender-Militärs) und erklärte die Diskriminierung von LGBTI* bei der Kreditvergabe für illegal. Personell hat Biden national wie international immer wieder queere Menschen in wichtige Ämter versetzt, beispielsweise ernannte er Jessica Stern zur Sondergesandten für LGBTI*-Rechte, machte einen schwulen Polizeichef zum Leiter der Zoll- und Grenzschutzbehörde, vergab erstmals in der Geschichte einen Botschafterposten an eine offen lesbische Frau und ernannte die geoutete Veteranin Gina Ortiz Jones zur Unterstaatssekretärin der Luftwaffe.

Auch in puncto trans-Personen zeigte sich Biden von seiner starken Seite: Er erhob die erste geoutete Trans-Person (Dr. Rachel Levine) ins Amt der Assistent Secretary for Health im Gesundheitsministerium – im Oktober dann wurde Levine in den Rang eines Admirals im United States Public Health Service  berufen. Er veröffentlichte die präsidiale Proklamation zum Transgender Day of Visibility und erklärte gegenüber der Transgender-Community: "Ich sehe euch, ich höre euch, und ich werde weiter für euch kämpfen!" Ferner stellte er klar, dass es für ihn verfassungswidrig sei, eine Transfrau in ein Männergefängnis zu stecken. Zudem ließ die Biden-Regierung erklären, dass Bundesstaaten transsexuelle Mädchen nicht vom Sport ausschließen dürfen. Am Transgender Day of Remembrance gedachte Biden im November dann transsexuellen Menschen, die durch "entsetzliche" Gewalt ums Leben gekommen waren.

© Visibil-e
© Visibil-e

Ebenso stark macht er sich für non-binäre Amerikaner. Die USA stellten im Oktober 2021 den ersten Reisepass mit nicht-binärem "X"-Geschlechtsmerkmal in einem historischen Akt aus. In weiteren Schritten würdigte die Biden-Administration den Intersex Awareness Day und erkannte offiziell die Geschlechter von transsexuellen und nicht-binären Veteranen an. International veröffentlichte Biden ein präsidiales Memo zum Schutz der Rechte von LGBTI*-Personen auf internationaler Ebene und kritisierte in einer UN-Rede Anti-LGBTI*-Länder scharf.

Im Land selbst verbot er Diskriminierung von LGBTI*-Personen im Gesundheitswesen und ordnete an, dass künftig Versicherungsgesellschaften alle Kosten für die PrEP übernehmen müssen. Zudem machte er sich für mehr Mittel im Kampf gegen HIV stark, ernannte einen Kandidaten für die globale HIV- und AIDS-Prävention und ehrte feierlich „all jene, die wir in 40 Jahren HIV/AIDS-Epidemie verloren haben." Allen LGBTI*-Senioren ermöglichte er dann zudem den gleichen Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen.

War es das schon? Noch immer nicht ganz, denn neben all den neuen Gesetzen, Vorschriften und Ernennungen ist es der generelle Umgang mit LGBTI*-Menschen und die Selbstverständlichkeit der Sichtbarkeit queerer Lebenswelten, die einen besonders positiven Eindruck hinterlässt. Wie selbstverständlich waren in Biden-Werbespots immer wieder auch queere Menschen zu sehen oder in einem Film über die Covid-Pandemie wurde unter anderem auch ein küssendes schwules Paar gezeigt – ganz selbstverständlich, weil eben auch Homosexuelle Teil der amerikanischen Gesellschaft sind.

Er hob Trumps Verbot von Regenbogenflaggen in Botschaften auf, mehr noch, er ließ in der US-Botschaft im Vatikan die Pride-Flagge hissen. Das Weiße Haus richtete dann im Pride-Monat eine Ausstellung mit Artefakten aus, die die LGBTI*-Geschichte des Landes zeigte und gab erstmals auch eine Proklamation zum Pride-Monat heraus, um LGBTI*-Menschen zu ehren, die „für ein freies Leben kämpfen!“ Wie selbstverständlich entsandte er im Herbst 2021 zum nationalen Coming-Out-Tag die besten Grüße. Nachdem er zuvor im Sommer letzten Jahres bereits den Pulse-Club (hier wurden 2016 insgesamt 49 queere Menschen von einem homophoben Attentäter ermordet) zu einer nationalen Gedenkstätte erklärt hatte und dabei die kämpferischen Worten aussprach, die vielen queeren Amerikanern noch heute in den Ohren klingen: "Pride is back at the White House!" Wahrhaftig, die LGBTI*-Community wird wieder gehört im Weißen Haus.

Es muss noch einmal klargestellt werden: Das alles hat der gewählte Präsident eines Landes binnen eines einzigen Jahres für die LGBTI*-Community geleistet. Lieber Herr Bundeskanzler Olaf Scholz, wie viel Positives werden wir in einem Jahr über die Ampel-Regierung zu berichten haben? Ich würde sagen, sie sollten sich ranhalten.

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