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Innenministerin Faeser stoppt Expertenkreis
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Kein Einsatz mehr gegen Islamismus Gremium gegen anti-queere Gewalt soll hingegen Hassverbrechen untersuchen

ms - 06.09.2022 - 10:30 Uhr

Es ist ein bis dato einmaliger Vorgang, der jetzt nach und nach hohe Wellen schlägt – Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stoppt den Expertenkreis Politischer Islamismus. Vor einem Jahr hatte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Beraterkreis ins Leben gerufen, um entschlossen gegen jede Ideologie vorzugehen, die gegen die Grundwerte und die Gesetze der Bundesrepublik verstößt. Innenministerin Faeser sieht darin keinen Bedarf mehr und löste das Gremium kurzerhand auf. Die FAZ kommentierte den Vorgang mit den Worten: Die Ampel schaut weg.

Gerade für die LGBTI*-Community eine Entscheidung, die äußert kritisch betrachtet werden dürfte. Studien der letzten Jahre wie beispielsweise von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigten klar auf, dass Homosexualität in stark religiös geprägten Strukturen in Deutschland besonders vehement abgelehnt wird. Die Bundesstelle belegte dabei auch, dass der Religion eine besonders große und negative Rolle in Anbetracht des Hasses gegenüber Homosexuellen zukommt, im extremen Maße zeigt sich das bei Männern mit Migrationshintergrund – hier sind die Zahlen nach Angabe der Bundesstelle aufgrund der religiösen Prägung “signifikant negativer“ – konkret bedeutet das, dass Menschen mit Migrationshintergrund beinahe doppelt so oft homophoben Einstellungen zustimmen (34 Prozent) als Menschen ohne Migrationshintergrund.

Erst im Mai hatte Konstantin Kuhle, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion von Muslimen gefordert, die Homosexuellen-Feindlichkeit im Namen des Islam aufzuarbeiten, denn immer wieder werde dieser auch „zum Nährboden für homofeindliche Diskriminierung und Gewalt.“  Eine Statistik der Bertelsmann Stiftung (Religionsmonitor 2019) zeigte bereits vor knapp drei Jahren auf, dass beinahe noch jeder zweiter zugezogene und rund jeder dritte in Deutschland geborene Muslime die gleichgeschlechtliche Ehe ablehnt. Der schwule Medienwissenschaftler und LGBTI*-Aktivist David Moskovits hatte dazu gegenüber SCHWULISSIMO erklärt: „Ich wage es zu unterstellen, dass die Ergebnisse sämtlicher Studien zu Homophobie zu positiv sind und nicht der gelebten Realität in Deutschland entsprechen. Und selbst wenn die Statistik stimmen sollte, bedeutet es doch, dass bei rund 5,5 Millionen Muslimen in Deutschland (BAMF 2020) nach wie vor 2,2 Millionen von ihnen Homosexuelle ablehnen – in unterschiedlich starker Ausprägung versteht sich. Der Alltag von Schwulen und Lesben ist noch immer ein ständiges Ertragen von Diskriminierungen aufgrund von Homophobie. Auch die Vorurteile sind noch immer sehr groß. Das fängt bereits in der Schule an, wo fast jeder queere Mensch solchen Psychoterror erlebt.“

Auch nach Angaben des Verfassungsschutzberichts besteht in Deutschland nach wie vor eine Gefährdung durch Islamismus und islamistischen Terrorismus. Warum sich Innenministerin Faeser (SPD) offensichtlich nur noch auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus konzentrieren will, bleibt unbeantwortet. Bereits im Juni hatte zuvor die Islamforscherin Susanne Schröter aus jenem Expertengremium der Ampel-Koalition vorgeworfen, das Problem des Islamismus unter den Teppich zu kehren. Angesichts dieser Entscheidung wirkt es beinahe ein wenig zynisch, dass die Innenministerin gleichzeitig zu Beginn der Woche mit Blick auf den Mord an dem trans-Mann Malte C. aus Münster erklärt hat, dass die Bundesregierung es jetzt sich zum Ziel gesetzt habe, Queerfeindlichkeit und Gewalt entschlossen entgegenwirken zu wollen. Der mutmaßliche Mörder von Malte C. ist ein 20-jähriger junger Mann namens Nuradi A. aus Tschetschenien, einem Land, in dem sich die Einwohner größtenteils zum Islam bekennen. Bereits 1993 führte Tschetschenien die Scharia ein, die islamischen Gesetze, die beispielsweise neben der Hinrichtung von untreuen Ehefrauen auch für Homosexuelle den Tod vorsehen. Faeser will nun derweil ein Gremium gegen anti-queere Gewalt auf den Weg bringen, die Auftaktsitzung des Arbeitsgremiums mit dem Titel “Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ ist für den 20. September geplant. Ziel sei es, ein unabhängiges Expertengremium aus Wissenschaft, Praxis und LGBTI*-Community einzurichten.

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