Direkt zum Inhalt
LGBTI*-Aktivisten und der Kampf gegen Orbán // © IMAGO / ZUMA Wire
Rubrik

LGBTI*-Aktivisten kämpfen in Ugarn Wird Ministerpräsident Viktor Orbán die Wahl gewinnen?

ms - 29.03.2022 - 15:00 Uhr

Am kommenden Sonntag entscheidet sich, ob Ministerpräsident Viktor Orbán in Ungarn abgewählt wird oder nicht. Zuletzt schwächelte er und seine Partei in den Umfragen, weil ihm die einstige Nähe zu Wladimir Putin seit dem Ukraine-Krieg Wählerstimmen kostet. Auf dem Rücken der LGBTI*-Community möchte Orbán nun seine Wiederwahl sichern, weswegen er gleichzeitig neben der Wahl auch über ein Referendum abstimmen lassen will – dieses Referendum soll vor allem die konservativen Menschen in Ungarn dazu motivieren, zur Wahl zu gehen und für Orbán zu stimmen.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen und LGBTI*-Aktivisten haben jetzt die Wähler deswegen dazu aufgefordert, auf den Stimmzetteln für und dagegen abzustimmen und diese somit ungültig zu machen. Das Referendum kann nur umgesetzt werden, wenn mindestens 50 Prozent der Wähler eine gültige Stimme abgeben.

Orbán inszeniert sich einmal mehr als Bewahrer und Schützer der Kinder, der sich den angeblich falschen Werten der Europäischen Union entgegenstellt. Auf einer Kundgebung vor wenigen Tagen sagte er: "Wir sind vereint und deshalb werden wir auch das Referendum gewinnen, mit dem wir den Genderwahn, der die westliche Welt erfasst hat, an unseren Grenzen stoppen werden!"

Die Europäische Kommission hatte im letzten Jahr rechtliche Schritte gegen Ungarn eingeleitet, nachdem die Regierung ein Gesetz verabschiedet hatte, dass LGBTI*-Themen an Schulen verbieten soll. Laut Orbán seien dies alles nur Maßnahmen zur „Verhinderung von Kindesmissbrauch“. Es ist dabei nicht das erste Mal, dass der Ministerpräsident Homosexualität in direktem Zusammenhang mit Pädophilie stellt. Immer wieder bestärkt Orbán auch das Bild von sich selbst, das ihn als Kämpfer für die christlichen Werte und gegen die „LGBTI*-Propaganda an Schulen“ zeigt.

In dem Referendum werden die Wähler so beispielsweise gefragt, ob sie Workshops zur sexuellen Orientierung in Schulen ohne Zustimmung der Eltern unterstützen würden oder ob sie dafür sind, dass Geschlechtsumwandlungsverfahren bei Kindern gefördert werden. Ferner fragt das Referendum die Bürger, ob Medieninhalte, die sich auf die sexuelle Orientierung auswirken könnten, Kindern ohne Einschränkungen gezeigt werden sollten.

Zusammen mit der regierenden Fidesz-Partei ist Orbán also jedes Mittel recht, um seine vierte Amtszeit zu sichern. In den letzten Jahren brachte er so immer mehr auch die meisten ungarischen Medien unter seine Kontrolle, nach ZDF-Recherchen stehen bereits mehr als 80 Prozent aller Medienunternehmen im Land unter seinem direkten Einfluss. Wer nicht in seinem Sinne berichtet und auch Fake-News verbreitet, wird fristlos gekündigt. 

Wie gut die Propaganda in Teilen der Bevölkerung wirkt, zeigt auch eine Straßenumfrage von Reuters. Ein Passant sagte beispielsweise: "Ich möchte nicht, dass meine Enkelkinder einer Geschlechtsumwandlung unterzogen werden. Mädchen sollten Mädchen bleiben, Jungen sollten Jungen sein.“ Und ein anderer Wähler ergänzte: "Wir wollen unsere Kinder nicht mit LGBTI* anstecken!“

Luca Dudits, eine Sprecherin der queeren Rechtsgruppe Hatter Tarsasag, bestätigte im Gespräch mit Reuters die aggressive und aufgeheizte Stimmung gegenüber der LGBTI*-Community: "Dieses diskriminierende Propaganda-Referendum verstärkt nur die Spaltung der Gesellschaft und die Vorurteile gegenüber LGBTI*-Personen!“ So werde ein Teil der Gesellschaft getäuscht, um etwas zu einem Problem zu machen, was eigentlich gar keines sei.

Auch Interessant

Groteske Gerichtsfarce

42 Menschen wegen Pride vor Gericht

In der Türkei stehen aktuell 42 Menschen wegen der Teilnahme an einem Pride vor Gericht. Pikant dabei: Jetzt zeigt ein Gutachten die Polizeigewalt.
Ehe für alle

Liechtenstein beschließt Homo-Ehe

Freude! Als letztes deutschsprachiges Land hat jetzt auch Liechtenstein die Ehe für alle beschlossen. Ab 2025 können Schwule und Lesben "Ja" sagen!
IDAHOBIT 2024

Massen-Outing oder Bundesrat-Klatsche?

Der IDAHOBIT 2024 wird spannend: Zwischen Gedenken, Aktivismus gegen Homophobie, Selbstbestimmungsgesetz im Bundesrat und Massen-Outing im Fußball...
Offene Fragen

Reformpläne für Regenbogenfamilien

Justizminister Buschmann (FDP) zeigt sich zuversichtlich, dass die Reform für Regenbogenfamilien kommt - es gebe aber auch noch "offene Fragen"...