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Immer mehr Schweizer Kirchenmitarbeiter wollen sich outen // © ajr_images
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OutInChurch auch in der Schweiz? Kann die deutsche Aktion eine Welle in ganz Europa entfachen?

ms - 08.03.2022 - 17:02 Uhr

Es rumort in der römisch-katholischen Kirche – zuletzt erschütterte die Kampagne OutinChurch in Deutschland die festen Kirchenmauern aus Schweigen und rechtlichem Erstarren. Im Januar hatten sich 125 Kirchenmitarbeiter und Priester als queer geoutet. Seitdem wird über Änderungen im Kirchenrecht diskutiert und gestritten. Erste Fortschritte wurden erreicht, sodass in einzelnen Bistümern wie beispielsweise in Essen die Mitarbeiter nicht mehr entlassen werden, auch wenn sie sich outen

Einer der Mutigen der Aktion ist Rainer Teuber – gegenüber dem WDR sagte er:

"Was jetzt folgen muss, ist die Änderung der kirchlichen Grundordnung."

 

Elf von 16 Bistümern in Deutschland setzen sich aktuell dafür ein. Überraschend kommt nun die Nachricht, dass die Aktion vielleicht sogar über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus eine Wirkung erzeugt hat – nach Angaben der Schweizer Sonntagszeitung planen anscheinend auch queere Mitarbeiter der Kirche in der Schweiz ein mediales Gruppen-Outing. Ende letzter Woche kam es zu einem ersten Gespräch zwischen LGBTI*-Mitarbeitern der Kirche in der Schweiz.

Die Angst vor Konsequenzen scheint dabei im Alpenstaat noch sehr groß, wie der Schweizer Pierre Stutz der Zeitung verrät. Stutz hat bereits vor zwei Jahrzehnten sein Amt als Priester niedergelegt, beteiligte sich aber auch an der deutschen OutInChurch-Kampagne. Hinter vorgehaltener Hand rumort es derzeit gewaltig in der Schweiz massiv – auch deswegen, weil die Chancen auf einen Erfolg und ein Umdenken der Kirche nie größer waren als jetzt mit der deutschen Kampagne als Rückenwind sozusagen.

Ein Seelsorger aus Zürich sagte gegenüber der Zeitung:

„Eine solche Bewegung wie in Deutschland möchten wir auch in der Schweiz anstoßen. Aber es ist schwierig. Die Angst ist groß, den Job zu verlieren, wenn man sich zu einer homosexuellen Partnerschaft bekennt.“ Der aktuell noch namenlose Geistliche lebt seit 20 Jahren heimlich in einer Beziehung mit seinem Freund. Doch jetzt scheint der Ärger über das Verhalten der Kirche größer zu sein als die Angst vor möglichen Konsequenzen: „Was mich richtig wütend macht, ist diese Doppelmoral der Kirche: Bei Missbrauchsfällen deckt man die Priester und kehrt alles unter einen Teppich. Aber wir Schwulen werden gebrandmarkt. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.“

 

Klar ist auch, dass das Umdenken nicht nur die Kirche selbst, sondern auch die Schweizer Bürger betrifft. Mit Bezug auf das Stadt-Land-Gefälle zeigt sich gerade auch in der Schweiz, dass in ländlichen Gebieten der Glaube noch omnipräsent vertreten ist und die Abneigung gegenüber Rechten und Lebensweisen für LGBTI*-Menschen besonders stark ausgeprägt ist.

Zuletzt zeigte sich das beispielhaft auch bei der „Ehe für alle“, die erst nach einigen Hürden schlussendlich beschlossen wurde und im Sommer nun auch in der Schweiz in Kraft tritt. Auf dem Land wurde diese Aktion mehrheitlich abgelehnt. Der Mitarbeiter der Schweizer Kirche dazu noch einmal:

„Es ist naiv zu glauben, es sei im alltäglichen Leben heute kein Problem mehr, wenn man schwul ist. Das ist noch längst nicht enttabuisiert. Man muss sich einiges anhören: Verdammter Sauhund oder Hinterlader. Dass ist das Bild, das manche Leute von Homosexuellen haben (…) Homophobie gibt es also in der ganzen Gesellschaft. Aber eben auch in der Kirche, ihre Grundhaltung lautet: Homosexualität ist Sünde.“

 

Es bleibt zu hoffen, dass die Schweizer Geistlichen und Mitarbeiter zusammen den Mut aufbringen, sich auch im Alpenstaat zu outen. Damit hätte die Aktion in Deutschland eine Welle angestoßen, die vielleicht nach und nach immer mehr Länder erreicht und nicht mehr einfach hinweg zu debattieren sein wird – auch nicht im Petersdom in Rom. Der namenlose Seelsorger möchte als ersten Schritt sich zeitnah vor dem Bischof seines Bistums outen.

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