Russland und Ungarn vereint gegen LGBTI* „Wie viel deutlicher kann es noch werden, dass Ungarn Russlands trojanisches Pferd in Europa ist?!“
Der Direktor der europäischen LGBTI*-Rechtsorganisation Forbidden Colours, Rémy Bonny, ist fest davon überzeugt, dass die russische Propaganda mit Bezug auf die LGBTI*-Community über Ungarn verstärkt Einzug in ganz Europa halten soll.
Dabei nimmt Bonny auch Stellung zu den jüngsten Entwicklungen in Rumänien. Nach den Vorbildern Russland und Ungarn debattiert auch Rumänien derzeit darüber, ein Verbot von LGBTI*-Themen an Schulen einzuführen.
Der bisher vorgestellte Gesetzestext ist dabei mehr oder minder eine deckungsgleiche Kopie des Verbots, welches der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán im vergangenen Jahr bereits in seinem Land durchgesetzt hatte. Zwar wurde Orbáns Entscheidung von Seiten seiner Landsleute mehrheitlich ablehnt, wie ein Referendum im April dieses Jahres zeigte, das Verbot hat aber trotzdem nach wie vor Bestand.
Die Blaupause in beiden Fällen kommt dabei ursprünglich aus Russland. Präsident Putin hatte bereits 2013 das sogenannte „Propaganda-Gesetz“ gegen Homosexuelle eingeführt, welches schwule und lesbische Themen weitestgehend verbietet. Dabei greift das Gesetz in Russland noch weiter als wie bisher in Ungarn oder geplant in Rumänien und verbietet jede Art von “Werbung“ für homosexuelles und queeres Leben – das umfasst Schulen ebenso wie aber auch Medien und die allgemeine Öffentlichkeit.
Für Rémy Bonny ist die grundsätzliche Gesinnung und vor allem auch die Kooperation der Länder im Kampf gegenüber LGBTI* eine ausgemachte Angelegenheit, wie er auch auf Twitter bekräftigte: “Rumäniens ungarische Minderheitenpartei versucht, ein Anti-LGBTI*-Propaganda-Gesetz nach russischem Vorbild einzuführen. Wie viel deutlicher kann es noch werden, dass Ungarn Russlands trojanisches Pferd in Europa ist?!“
Wie eng die Zusammenarbeit zwischen Ungarn und Russland tatsächlich gerade im gemeinsamen Kampf gegen liberale und freiheitliche Werte wie die Gleichberechtigung von LGBTI* wahrscheinlich ist, wird durch einen Artikel in der Zeitung Kyiv Independent noch einmal deutlich – mit Blick auf den Ausbruch des Ukraine-Krieges stellt die Zeitung nach Informationen des Sekretärs des ukrainischen Sicherheitsrates fest: „Ungarische Behörden wussten schon vorher von der russischen Invasion. Der Sekretär des NSDC, Oleksiy Danilov, sagte, dass der russische Präsident Wladimir Putin den ungarischen Behörden seine Pläne für eine groß angelegte Invasion in der Ukraine mitgeteilt habe.“
Eindeutig belegt wurde diese Aussage nicht, doch passt sie ins Bild der aktuellen Entwicklungen. Auch bei der Frage um ein mögliches Ölembargo gegenüber Russland stellt sich nach wie vor Ungarn quer – die Entscheidung dafür muss allerdings eindeutig sein. In puncto LGBTI* wird indes bereits klar, dass die grundsätzliche Ablehnung von homosexuellen wie auch queeren Lebenswelten eine Grundsatzrichtlinie mehrerer Staaten ist und schleichend nach und nach auf dem europäischen Kontinent weiter umgesetzt werden soll. Rémy Bonny fordert daher mit Blick auf Ungarn: „Wir müssen jetzt Artikel 7 auslösen und Sanktionen gegen Viktor Orban ergreifen!“
Das Verfahren nach Artikel 7 zum Schutz der Grundwerte der EU wurde 1997 eingeführt. Hierbei wird geprüft, ob die Gefahr einer Verletzung der EU-Werte besteht oder bereits eine schwerwiegende Verletzung vorliegt.
Erstmals wurde das Verfahren 2017 gegen Polen eingeleitet, nachdem das Land ihr Justizsystem reformierte und dabei die Unabhängigkeit der Richter aushöhlte. In puncto LGBTI* widerspricht Ungarn dabei eigentlich auch gegen die grundsätzlichen Werte der EU, erst 2021 hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das LGBTI*-Verbot an ungarischen Schulen als eine „Schande“ bezeichnet und bekräftigt, dass Europa eine LGBTI*-Schutzzone sei.
Als schwerste EU-Sanktion sieht der Artikel 7 eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor.