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Steht die homophobe AfD vor dem Aus? // © IMAGO / Future Image
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Steht die AfD vor dem Aus? Vom Verdachtsfall zum Fall des Vergessens?

ms - 09.03.2022 - 17:15 Uhr

Die AfD hat es in diesen Tagen nicht leicht – erst gestern beschloss das Kölner Verwaltungsgericht, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei als rechtsextremen Verdachtsfall einschätzen und beobachten darf. In einer ersten Stellungnahme begrüßte der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, die Entscheidung und stellt klar: „Das ist ein guter Tag für die Demokratie.“

 

Ein guter Tag für die Demokratie, ein schlechter für die Partei.

Die jüngsten Umfragen scheinen aktuell diesen Trend zu belegen, nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von RTL und NTV würden – Stand gestern – nur noch 7 Prozent der Bundesbürger die AfD wählen. Im Vergleich zur Bundestagswahl vom Herbst 2021 bedeutet das, dass die Partei rund ein Drittel ihrer Wählerstimmen verloren hat. Durch die gestrige Bestätigung des Kölner Verwaltungsgerichts könnten die Umfragewerte noch weiter fallen.

Für queere Menschen grundsätzlich ein gutes Signal, denn die Partei war in den letzten Jahren immer wieder mit zahlreichen queerfeindlichen Statements aufgefallen. Die Situation hatte sich in den letzten Monaten immer weiter zugespitzt, nachdem die AfD-Hardliner nach und nach die Richtung der Partei noch weiter nach rechts außen gelenkt hatten. In die Enge gedrängt, scheint die Partei nun abermals verbal auszuschlagen und machte am selben Tag ihrem Ärger über die allgemeine Lage Luft – Ziel waren natürlich einmal mehr queere Lebenswelten.

Zum gestrigen internationalen Frauentag twitterte der familienpolitische Sprecher der AfD Martin Reichardt:

 

„Wenn es nach der Ampel geht, ist 2022 vermutlich der letzte Frauentag für echte Frauen. In Zukunft wird das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz Kindern ab 14 Jahren erlauben, ihr Geschlecht auf Basis eines subjektiven Gefühls festzulegen. Die Biologie hat ausgedient.“ Kurz zuvor hatte sich Reichardt über die geschlechtsneutrale Erziehung an Kitas in Sachsen-Anhalt echauffiert und erklärte: „Widerlinge ziehen durch unsere Kitas und wollen kleinen Kindern sexuelle Vielfalt beibringen. Weiß die CDU Fraktion Sachsen-Anhalt als angeblich christlich-konservative Partei davon, welch Missbrauch auch der Kitas und des Vertrauens der Eltern hier stattfindet?“

 

Es ist nicht der erste und mit Sicherheit auch nicht der letzte Versuch der Partei, das Thema Kindesmissbrauch in direktem Zusammenhang mit der LGBTI*-Community zu setzen. Das Schema ist altbekannt und findet auch in Ländern wie aktuell den USA gerne Verwendung. Dabei dürften die letzten Entgleisungen in puncto LGBTI* nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver für die verbliebene Wählerschaft sein – erfahrungsgemäß bedeutet die Einstufung als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz zumeist auch ein politisches Versinken in die Bedeutungslosigkeit. So sprach beispielsweise auch der Exekutiv-Vizepräsident des internationalen Ausschwitz-Komitees Christoph Heubner von einer schallenden Ohrfeige für die Partei und stellte ferner laut dpa fest:

 

Die AfD darf und sollte vom Verfassungsschutz beobachtet werden, weil sie nicht widerlegen konnte, eine durch und durch rechtsextreme Partei zu sein, die die Demokratie permanent zu destabilisieren versucht.“

 

Im weiteren Verlauf könnte die Beobachtung des Verfassungsschutzes auch ganz konkrete Auswirkungen auf die politische Arbeit der Partei haben – so stellte sich bereits gestern die Frage, ob die Partei dann noch ein Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium sein könne, welches die Nachrichtendienste des Bundes kontrolliert.

Gegenüber der FAZ fasste die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, das Urteil so zusammen:

 

“Eine sehr gute Nachricht für die politische Kultur in unserem Land. Es ist ein Sieg für den wehrhaften Rechtsstaat und ein klares Zeichen, dass die Demokratie den Umtrieben ihrer Gegner nicht tatenlos zusehen muss. Die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz ist auch deshalb ein richtiger Schritt, damit in Deutschland alle Menschen sicher und ohne Angst leben können.“

 

Das betrifft auch und gerade die LGBTI*-Community, die nebst Flüchtlingen und ausländischen Mitbürgern zum bevorzugten Angriffsziel der Partei geworden war.

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