Direkt zum Inhalt
“Ministerin für Homophobie” im Kampf gegen LGBTI* // © Imago
Rubrik

Ungarn: Neue homophobe Staatspräsidentin Die „Bree van de Kamp“ Ungarns wird Gesetze für LGBTI* blockieren

ms - 14.03.2022 - 15:00 Uhr

Die Situation für LGBTI*-Menschen in Ungarn dürfte sich in diesen Tagen abermals verschlimmert haben – so wurde jetzt Katalin Novák zur neuen Staatspräsidentin Ungarns gewählt. Die junge Frau mit gerade einmal 44 Jahren ist populär, qualifiziert, konservativ und stark homophob – und damit auf direkter Linie zu Ministerpräsident Viktor Orbán. Kaum verwunderlich, dass die Idee, die junge Frau ins höchste Amt des Landes zu befördern, auch von dem politischen Hardliner kam. Eigentlich war Parlamentspräsident Laszlo Köver als Staatspräsident angedacht, er ist selbst Mitbegründer der Fidesz-Partei – ein Nationalist, wie er nicht schöner für Orbán sein könnte.

Trotzdem entschied sich der ungarische Ministerpräsident aus wahltaktischen Gründen schlussendlich für die junge Frau, die damit die erste Staatspräsidentin des Landes ist. Bei den anstehenden Parlamentswahlen am 03. April stehen die Oppositionsparteien erstmals vereint gegen Orbán und seine Partei, weswegen es in der Tat ein cleverer Schachzug war, die beliebte Politikerin zur Staatspräsidentin zu machen. Das dürfte ihm bei der kommenden Wahl Bonuspunkte bringen.   

Die Wahl selbst verlief dann ohne große Überraschungen – mit Stimmen der rechtspopulistischen Regierungsmehrheit wählte das Parlament Novák mit 137 Stimmen klar in das neue Amt; sie erreichte damit im ersten Wahlgang bereits die Zweidrittelmehrheit und löste damit den ebenfalls Orbán-Vertrauten János Áder im höchsten Amt ab, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte.  

Novák ist abseits der LGBTI*-Community eine sehr beliebte Politikerin – die Tagesschau nannte sie das „fröhlich-lachende Gesicht von Fidesz“, der rechtskonservativen Partei von Viktor Orbán. Als ehemalige Familienministerin des Landes verteilte sie immer wieder verstärkt Gelder an Eltern, was ihr eine ungemeine Popularität verschaffte. Novák ist die Vorzeige-Konservative in Ungarn – Bree van de Kamp aus der Serie „Desperate Housewives“ würde vor Neid erblassen: Sie spricht Französisch, Englisch, Spanisch und Deutsch, studierte in Ungarn und Paris, während ihr Mann für die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitete, ist Ritter der französischen Ehrenlegion, Marathonläuferin, Mutter von drei Kindern und sie backt gerne.

Verständlich, dass in das perfekte Familienbild der jungen Frau queere Menschen keinen Platz haben. In ihrer Amtszeit als Familienministerin wurde die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau in die ungarische Verfassung geschrieben. Die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ist dank ihr nur mit Genehmigung des Ministeriums überhaupt möglich – und diese Genehmigung wurde praktisch nie erteilt unter ihrem Namen.

Der Budapest Pride verlieh ihr deswegen bereits den schönen Namen: “Ministerin für Homophobie“. Verständlich und wahrscheinlich sogar gerechtfertigt, denn so erklärte sie einst auch: „Vor ein paar Jahren dachten wir nicht, dass wir ins Grundgesetz schreiben müssen, dass die Ehe eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist - oder: dass die Mutter eine Frau, der Vater ein Mann ist!" Die 44-Jährige vertritt auch anderweitig ein erzkonservatives Frauen- und Familienbild und beteuerte, dass Frauen nicht mit Männern konkurrieren müssten. Gerne besucht sie auch immer wieder den “World Congress of Families”, das jährliche Treffen der Gegner von LGBTI*-Rechten; natürlich alles im Namen der Familien und – wir ahnen es – zum Schutz der lieben Kinderlein.

Orbán ist mit der Ernennung der jungen Frau also ein Clou gelungen // © IMAGO / UIG

Orbán ist mit der Ernennung der jungen Frau also ein wirklicher Clou gelungen und es gilt zu befürchten, dass seine bisher zwölfjährige Regierungszeit noch lange nicht beendet sein dürfte. Selbst wenn es überaschenderweise doch anders kommen sollte bei den künftigen Wahlen, sitzt Novák jetzt gesichert für fünf Jahre im Amt des Staatsoberhauptes und könnte auch oppositionelle Gesetzentwürfe prüfen und blockieren lassen, die sie für verfassungsrechtlich bedenklich halten würde – darunter fallen praktisch alle Rechte für queere Menschen. Damit es aber gar nicht erst soweit kommt und Orbán weiter ungehindert das Leben der LGBTI*-Community verschlechtern kann, hat er zeitgleich mit der Wahl Anfang April ein Referendum gegen queere Rechte angesetzt, um seine konservativen Mitbürger zahlreich zum Wählen zu motivieren.

In dem Referendum soll mit den Stimmen seiner Wähler ganz nach dem Vorbild des „Anti-Homosexuellen-Gesetzes“ in Russland auch in Ungarn künftig festgeschrieben werden, dass Minderjährige nicht in der Schule aufgeklärt werden dürfen – gerade mit Blick auf LGBTI* – und auch nicht für Geschlechtsanpassungen „geworben“ werden dürfte. Zudem soll kontrolliert werden, welche Medien Jugendliche konsumieren, wobei auch hier ein starkes Augenmerk darauf liegen soll, queere Themen komplett auszuschließen. Der neuen Staatspräsidentin Novák dürfte das sicherlich gefallen.

Auch Interessant

Groteske Gerichtsfarce

42 Menschen wegen Pride vor Gericht

In der Türkei stehen aktuell 42 Menschen wegen der Teilnahme an einem Pride vor Gericht. Pikant dabei: Jetzt zeigt ein Gutachten die Polizeigewalt.
Ehe für alle

Liechtenstein beschließt Homo-Ehe

Freude! Als letztes deutschsprachiges Land hat jetzt auch Liechtenstein die Ehe für alle beschlossen. Ab 2025 können Schwule und Lesben "Ja" sagen!
IDAHOBIT 2024

Massen-Outing oder Bundesrat-Klatsche?

Der IDAHOBIT 2024 wird spannend: Zwischen Gedenken, Aktivismus gegen Homophobie, Selbstbestimmungsgesetz im Bundesrat und Massen-Outing im Fußball...
Offene Fragen

Reformpläne für Regenbogenfamilien

Justizminister Buschmann (FDP) zeigt sich zuversichtlich, dass die Reform für Regenbogenfamilien kommt - es gebe aber auch noch "offene Fragen"...