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Tobias & Dennis

Community Tobias & Dennis

vvg - 08.10.2022 - 17:00 Uhr

Tobias & Dennis sind seit 15 Jahren ein Paar und erfüllten sich den Wunsch, eine Regenbogenfamilie zu werden und eigene Kinder zu haben. Neugierig, wie sie dies umsetzen konnten, trafen wir beide mit ihren Kindern Summer und Jaden.

 

Wie und wann habt ihr euch kennengelernt?

D: Kennengelernt haben wir uns 2006 auf der Essener Spielemesse. Tobias, damals 17, war Abiturient auf Jobsuche und ich, damals 26, hatte ein Projekt im Bereich soziale Medien für meine Diplomarbeit. Bei mir war es im Gegensatz zu Tobias Liebe auf den ersten Blick. Als ich ihm das nach einem Jahr offenbarte, brach er den Kontakt ab und ich dachte: Schade, das war’s.

T: Durch meine Jobsuche hatten wir Kontaktdaten ausgetauscht und ein Jahr lang freundschaftlich per Mail kommuniziert. Dennis hatte etwas in mir angestoßen und nachdem ich mich bei meinen Eltern geoutet hatte, schrieb ich ihm eine SMS, ob er sich an mich erinnern könne.

D: Natürlich konnte ich, mein Herz schlug dabei bis zum Hals und bei unserem Wiedersehen blieb es nicht nur beim Gespräch. Seitdem sind wir ein Paar.

 

Wann kamen die Themen „Kinder“ sowie „Eins ist nicht genug!“ ins Gespräch?

D: Ich hatte viele meiner Wünsche erfüllt, das Thema Familie innerlich aber bereits abgehakt. Das kam durch Tobias aber immer mehr in den Fokus zurück.

T: Ich wuchs mit vier Brüdern auf und bei mir standen eigene Kinder immer auf dem „Wunschzettel“, ich wusste nur nicht wie? Nach unserer Verpartnerung 2016 und einer Dokumentation im WDR haben wir erstmals über Kinder gesprochen. Dann haben wir uns immer stärker informiert, wie wir unseren Wunsch erfüllen könnten.

D: Es war wie ein Schneeball, der den Hang herunterrollt und zur Lawine wird. Wir haben alles
abgewogen, entschieden und weil jeder von uns den Kinderwunsch hatte, war uns klar, dass es zwei werden.

 

Warum habt ihr euch nicht für eine Adoption oder Pflegekinder sondern für eine Leihmutterschaft in den USA entschieden.

T: Weil unser Wunsch leibliche Kinder zu haben sehr groß war und in Amerika läuft es - unter ethisch-moralischen Aspekten - am erprobtesten und am transparentesten ab. Sowohl die Eizellen-Spende als auch die Leihmutterschaft basieren auf Freiwilligkeit. Sowohl die genetische, als die austragende Mutter sind finanziell nicht auf die Kompensationszahlungen angewiesen. Wir haben uns bewusst entschieden, die Frauen kennenzulernen. Jedes unserer Kinder hat somit zwei Väter und „zwei Mütter“.

D: Wir waren bei der Entbindung unserer Tochter Summer dabei. Bei unserem Sohn Jaden, konnte CORONA bedingt nur Tobias als leiblicher Vater dabei sein. Beide Kinder haben die gleiche Eizellenspenderin und sind so Halbgeschwister. Außerdem besteht der Kontakt zu den Müttern in regelmäßigen Abständen.

T: Nach der Geburt waren wir noch einige Zeit für Formelles in den USA, dadurch hatten unsere Kinder die Möglichkeit, Milch der Leihmutter zu bekommen. Auf der Geburtsurkunde stehen wir beide. Den deutschen Kinderpass haben wir in den USA beantragt und sind damit dann als stolze Väter zurückgeflogen.

 

Wie oft wart ihr in Amerika?

T: Die ersten Treffen liefen virtuell ab. Zum ersten Mal waren wir direkt zur Samenspende da und haben uns mit allen beteiligten Personen persönlich getroffen - zum zweiten Mal nach einem viertel Jahr, als sich die Schwangerschaft stabilisiert hatte, dann am 4. Juli zum Nationalfeiertag auf Wunsch der Leihmutter und drei Wochen später waren wir schon wieder da, weil Summer ein Frühgeborenes wurde. Da haben wir knapp drei Monate jeden Tag gebangt, wodurch wir eine intensive, aber auch sehr schöne intime erste Zeit als kleine Familie erleben durften.

D: Bei unserem Sohn Jaden lief alles mit weniger Reisen, aber nicht weniger schön ab, da CORONA inzwischen die Welt verändert hatte.

© vvg

Was war das Schwierigste am „Papa werden“?

D: Es gab anfangs Probleme die passende Eizellenspenderin zu finden. Erst nach dem vierten Anlauf hatten wir das Pendant zu uns gefunden. Durch diese Verzögerung verloren wir aber die erste Leihmutter. So konnten wir mit der vierten Eizellenspenderin und der zweiten Leihmutter unsere Familienplanung, endlich umsetzen. Aus dieser Erfahrung haben wir den Prozess mit dem zweiten Kind relativ schnell nach der ersten Geburt angeschoben, um keinen großen Altersunterschied zwischen den Kindern zu haben.

T: Es mussten eine Menge Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel mit welchen Partnern - Klinik, Anwalt und Agentur - wir zusammenarbeiten. Es geht um Vertrauen, Geld und ein selbstverständlich gutes Gefühl.

 

Was ist das Schwierigste am „Papa sein“?

D: Die Einmischung von außen, dass man uns belehren will, was gut für unsere Kinder ist; so als könnten zwei Väter keine guten Eltern sein. Das empfinden wir als übergriffig. Wir holen uns Rat von Experten, sei es in der Erziehung oder der Gesundheit und fühlen uns gewappnet den Familienalltag zu meistern.

T: Als ich eine Kinderärztin fragte, wie man gute Eltern wird, sagte sie: Niemand wird gute Eltern, aber ihr könnt euch bemühen keine schlechten zu sein.
 

D: Was ich nicht erwartet hätte, war der Stress durch den Schlafmangel in der Babyphase. Darauf sollte man gesellschaftlich - vergleichbar mit Schwangerschaftskursen - vorbereitet werden. Zum Glück hatten wir dazu in Amerika einige Tipps bekommen, hier nicht wirklich.

 

Was musste beim „Vater werden“ berücksichtigt werden?

D: Wir möchten bei unserem Weg auf keinen Fall die ökonomische Seite verschweigen. Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten, deshalb bleibt nur der Weg ins Ausland - sowohl für Hetero-Paare als auch schwule Paare. Und bedenkt man, dass selbst eine Kinderwunschbehandlung in Deutschland mit zusätzlichen Kosten für Paare verbunden ist, so muss bei Leihmutterschaft je nach Land schnell ein bis zu 6-stelliger Betrag mitgebracht werden.

T: Das empfinden wir auch mit als die größte Hürde, neben der Diskriminierung der Leihmutterschaft an sich. Wenn man sich den Kinderwunsch auf moralisch-ethisch vertretbarem Weg erfüllen möchte, kommt es zu einem höheren Kostenpunkt, als wenn man den intransparenteren und anonymeren Weg in „kostengünstigeren“ und eventuell rechtlich nicht geregelten Ländern wählt.

 

Was hat sich vom „Lover“ zum „Vater“ verändert?

D: Natürlich verschieben sich die Prioritäten, wenn man nachts oft wach wird. Das Thema Libido rückt stark in den Hintergrund, aber wenn die Zeit vergeht, wird das wieder normal.

T: Wir reden über unsere Bedürfnisse - was wir denken und fühlen, dadurch ist der Umgang mit dem Thema bei uns sehr entspannt.

© vvg

Machen Söhne in ihrer Entwicklung mehr Probleme als Töchter?

D: Mir ist wichtig, dass unsere Kinder gesund sind, der Rest ist völlig egal. Wir haben einen sehr sensiblen Jungen und eine sehr taffe Tochter, das Geschlecht der Kinder kann so irrelevant sein.

T: Wir haben in unserem Fall die Natur nicht beeinflusst. Und wir haben weibliche Bezugspersonen - wie Patentante und viele Frauen in unserem familiären Umfeld - falls wir oder unsere Kinder wirklich den Rat einer Frau benötigen.

 

Wie reagierte euer Umfeld auf den Nachwuchs?

D: Sehr offen, weil wir selbst offen darüber sprachen. Da wir auch medial aufmerksam machen, erleben wir aus der anonymen Öffentlichkeit allerdings sehr offen homo- und männerfeindliche Angriffe. Ich betone das bewusst, weil wir insbesondere beim Thema Leihmutterschaft von Feministinnen und Lesben verbal Gegenwind bekommen.

T: In der Community haben wir manchmal das Gefühl, es ist noch nicht bei jedem angekommen, dass Männerpaare auch Kinder haben können. Aber je sichtbarer es wird - und dazu möchten wir beitragen -  umso akzeptierter wird es. Ich engagiere mich gesellschaftlich im Verein zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft Deutschland. Es geht um die Sichtbarkeit und den Dialog über Leihmutterschaft, weil nur der Weg im Ausland teilweise je nach Land unter dubiosesten moralisch- ethisch fragwürdigsten Rahmenbedingungen bleibt.

 

Hat sich euer Freundeskreis durch die Kinder verändert?

D: Wir empfinden, dass sich unsere eher jungen kinderlosen Freunde zurückziehen, weil sie glauben wir haben keine Zeit mehr für Freundschaften.

T: Dabei sitzen wir auch heute mit Freunden die halbe Nacht beieinander, während die Kinder schlafen. Das traut uns nur keiner mehr zu.

 

Wie schützt ihr eure Kids vor späterem Mobbing?

D: Kinder finden, wenn sie mobben wollen, immer einen Grund. Wir sprechen offen und helfen es einzuordnen. Kinder verstehen sehr früh und sind aufgeschlossen. Summer tritt jetzt schon selbstbewusst auf und sagt: ich habe zwei Papas.

T: Wenn wir unsere Familie als eine Möglichkeit von Familie erklären, haben wir keine Angst, dass unsere Kinder gemobbt werden.

 

Was lernt ihr von euren Kindern?

D: Dass alles, was ich in meinem bisherigen Leben als wichtig erachtet habe, gar nicht so wichtig war. Mein Wertegefüge hat sich völlig verschoben. Glück und Zufriedenheit definiere ich heute weit weg von materiellen Dingen. Kinder leben bedingungs- und kompromisslos.

T: Mir ist bewusstgeworden, wie einfach und unbedarft das Leben sein kann und wie sehr man sich vom Drumherum beeinflussen lässt. Darüber denken Kinder nicht nach.
Warum gibt es so wenig Schwule, die Väter werden wollen?
 

D: Das hat mit der mangelnden Sichtbarkeit und Ängsten als Minderheit über Jahrzehnte hinweg zu tun. Das war auch bei mir nicht im Gedankenhorizont. Man hat über die Zeit den Menschen Grenzen aufgezeigt, von denen heute viele weg sind. Leider noch nicht alle und noch nicht aus allen Köpfen.

T: Mit unserem offenem Auftreten möchten wir vielen jungen schwulen Menschen Mut machen, ihren Wunsch nach eigenen Kindern zu verwirklichen.

 

Wie reagiert ihr, wenn eure Kinder sich bei euch als heterosexuell outen?

D: Die lustige Antwort wäre wie im Film The Birdcage „Oh Gott, sie sind heterosexuell geworden!“ Die ernste Antwort macht mir Sorge um mich selbst, begründet aus einer gesellschaftlichen Norm. Mir wäre am liebsten, wenn meine Kinder heterosexuell werden. Das finde ich erstaunlich.

T: Unsere Kinder sollten zuallererst glücklich werden, dafür werden wir alles tun, um sie zu unterstützen.

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