Apropos Leben Gefühltes Tagebuch: Narrenglück
Das Alien hat Probleme mit seinem Erdenkalender: „Ich möchte nun den Hohen Rat noch auf eine Besonderheit hinweisen. Denn die hiesigen Bewohner sind ja sehr genau mit der Zeiterfassung, haben auch diesbezüglich Messgeräte, die sie täglich kontrollieren. Aber am Ende eines Jahreszyklus kommt zu den gewöhnlichen vier Jahreszeiten noch eine fünfte hinzu, was mich sehr stutzig gemacht hat. Denn diese besondere Jahreszeit ist nicht offiziell genehmigt und auch sonst sehr suspekt. Der Elfte des elften Monats ist Ausgangspunkt einer Periode, die man wohl als außerordentlich bezeichnen muss. Es bricht an diesem Tag eine Art animalische Lust am Vergnügen aus. Danach ist dann erst mal wieder Ruhe. Aber am 11. November verkleiden sich die Menschen und trinken viel Alkohol. Anstand und Sitten scheinen außer Kraft gesetzt. Allerlei Ausschweifungen sind an der Tagesordnung.
Dieses Treiben findet seine Fortsetzung und Höhepunkt ein paar Monate später: An einem Donnerstag tritt die weibliche Bevölkerung in den Ausstand. Die Halswärmer der männlichen Bewohner werden abgeschnitten, was teilweise zu traumatischen Erlebnissen führen kann. Von Zucht und Ordnung kann jetzt keine Rede mehr sein. Ein verlängertes Wochenende lang bis Dienstag scheint die Welt Kopf zu stehen. Völlerei, sittliche Entgleisungen und körperliche Aggressionen aufgrund von alkoholischen Getränken sind die Regel. Wichtig scheint auch die Kostümierung zu sein: Männer schlüpfen in Kostüme, die ihre Männlichkeit betonen. Sie werden zu asiatischen Ringern, Revolverhelden und klugen Chirurgen. Die Frauen werden zu Mäusen, Katzen und Zombies. Sehr erstaunlich! Dann finden sich die Menschen zusammen in großen Zelten, wo vorne ein Pult aufgebaut ist. Dort erzählt jemand komische Sachen. Ein Orchester gibt mit einem kurzen Spiel das Signal, wann gelacht werden soll. Danach wird gesungen, die Leute auf den Bänken bewegen sich dazu in hypnotischem Wiegen, das man „Schunkeln“ nennt. Der Höhepunkt dieser wilden Zeit sind Umzüge, bei denen geschmückte Wagen an den Passanten vorbeifahren. Dabei verstreuen die Leute auf den Wagen Bonbons, Blumen und Papierschnipsel auf das Publikum am Wegesrand. Es ist sehr laut, weil alle durcheinander schreien. Hinzu kommt die Beschallung mit verschiedenen Kapellen und Lautsprechern. Die Stimmung ist aufgeheizt. Es wird ganz viel getrunken, manche haben einen Rucksack, der mit Schläuchen zum Mund verbunden ist und so die stetige Flüssigkeitszufuhr gewährleistet. Dabei sind wir ja gar nicht in der Wüste - meist bewegt sich die Temperatur um den Gefrierpunkt. Deswegen sind auch die langen Unterhosen um diese Zeit oft ausverkauft.
Wenn die Leute ganz viel getrunken haben, dann verlieren sie ihre Hemmungen und machen sich gegenseitig erotische Avancen. In dieser Zeit werden so auch viele Kinder gezeugt. Manchmal ist nicht bekannt, wer der Vater des jeweiligen Kindes ist. Es gibt Plakate in der Stadt, die davor warnen, dass man sich mit Krankheiten anstecken kann, wenn man sich beim Geschlechtsakt nicht schützt. Dazu dient zum Beispiel ein elastischer Strumpf, den man über das männliche Glied zieht - so habe ich mir sagen lassen. In den Trinkhallen und Kneipen ist die ganze Zeit des Karnevals ein Kommen und Gehen. Es wird viel gelacht. Lachen ist ein Ausdruck von Freude und baut Spannungen ab. Ein sehr interessantes Phänomen, das ich bei Gelegenheit noch näher beleuchten werde. Es gibt auch Menschen, die sich nicht an diesem Narrenglück des Karnevals beteiligen. Die fahren dann in Urlaub oder gucken Fernsehen.
Karneval
Schon im Altertum wurde dieses Fest gefeiert. Kennzeichnend für den Karneval, der nicht nur in Europa gefeiert wird, ist die zeitweise Befreiung von gesellschaftlichen Normen und Verhaltensweisen. Die Umzüge mit Themenwagen bieten auch Gelegenheit, soziale und politische Missstände anzuprangern. In erster Linie ist der Karneval allerdings eine Volksbelustigung, bei der leibliche Freuden im Vordergrund stehen. Danach beginnt die Fastenzeit.